Buch.
Zweiunmizwanzigstes
die Fortuna im Mittelschiff. Die biblischen Scenen (Geschichte des Elias,
Achab [Fig 42], Moses [Fig 43], Opfer Abels und Abrahams, Melchisedech)
am Hochaltar und unter der Kuppel begann Beecafnmi 1517. Verschieden
wie die Meister war auch das hier angewandte Verfahren. Ursprünglich
grub man mit dem Meissel und Bohrer die Figuren ein und füllte die Aus-
grabung des weissen Marmors mit schwarzem Stuck; dann hob man die Con-
touren aus schwarzem Grunde ab; ein drittes Verfahren führte gefärbte
Marmorsorten in die Ornamente ein; zuletzt kam das von Matteo di Giovanni
erfundene, von Beccafumi verbesserte Verfahren, wo weisser Marmor für die
Lichter, schwarzer für die Schatten, grauer für die halben Töne gewählt wurde.
Da der Boden grossenthcils zugelegt ist, gewinnt man nur schwer eine richtige
Vorstellung von der vollen, grossartigen und in ihrer Art unvergleichlichen
Wirkung dieser Graffiti: erst die in neuester Zeit ermöglichte Ausstellung
der Gartens konnte eine solche vermitteln. Auch
i-l inhaltlich ist dies wunderbare Werk von grosser
i ikonographischer Bedeutung. Es bewegt sich noch
f ganz in dem traditionellen mittelalterlichen Ge-
. (lankenkreise und schildert, wie das an dieser Stelle
A der Kirche, dem Pavimentum, herkömmlich ist,
, die Geschichte der dem Ohristenthum vorausgehen-
den Zeit, die Hinführung der Menschheit auf
i)! Christus hin, und zwar einerseits im Heidenthum
"f 3;? durch Hermes Trismegistus und die Sibyllen (letztere
f 5 f jetzt durch moderne Copieen ersetzt; die Originalien
; r _ in der Opera delDuo1no), anderseits im Leben des
W t r A, auserwählten Volkes, seiner Patriarchen, ltichter,
f kß Propheten. Schon Symonds hat darauf auf-
k merksam gemacht, in wie engem Anschluss an
f f?" Dante's Purgatorio (Gesang XII) diese ganze Ex-
r position sich bewegt. Man schreitet mit dem Dichter
' "ltä, von Scene zu Scene, und eine jede ruft uns sein
P pnorti z" morti, e 11 vivi parean am" entgegen.
llllaäiiliäntBäilfflggläegloifli Diese grosse Schöpfung bildet den Schluss-
lPhotLonxbardi.) stein der Sieneser Kunst: aber sie gehört ihrem
Charakter nach derselben schon nicht mehr an.
Seit 1545 war es endgültig vorbei mit Siena's Freiheit, aber auch mit seiner
Kunst. Mit Sodoma, der 1549, mit Beccafnmi, der 1550 starb, erloschen die
beiden letzten Glorien Sienais. Beide hatten glänzende Spuren ihrer Thätigkeit
hinterlassen, aber der Schule neues Leben nicht mehr einzuhauchen gewusst: das
Lebensprincip dieser Schule war zerstört mit dem Boden, auf dem sie erwachsen.
Es hatte ihr bis zuletzt nicht an Talenten gefehlt, wol aber an der Führung.
Die Schule ging auseinander, und was noch von Kräften übrig war, erlag
fremden Einflüssen, die von allen Seiten, von Florenz, Perugia, Mailand, Rom,
eindrangen. Die Art, wie diese Schule untergeht, hat etwas Eigenes: man
konnte in der That mit einigem Rechte sagen, dass nicht mattherzige Er-
schöpfung der Lebensgeister (wie in Rom und Florenz), sondern gewaltsamer
Blutverlust Sienais Kunstschule getödtet hat. Die Florentiner Kunst hat den
Untergang der Freiheit der Stadt nicht überlebt; das Leben erstickte in der
Bedientenuniform der mediceischen Grossherzöge, welche Cosimds und Lorenzds
Namen, aber nicht ihren Geist tiberkommen hatten. Siena verblutete an den