Buch.
Zweiundzwanzigstes
Eine andere Darstellung der Heiligen, Welche der keusche Pinsel Ansanos
über der Porta Bomana schuf, ist leider fast gänzlich zu Grunde gegangen.
Ein einfaches Brustbild derselben in der Accademia hat sich dagegen erhalten
und zeigt Caterina auf der Höhe ihres Lebens, aber doch in der ganzen naiven
Unbefangenheit ihrer Jugend und im Abglanz himmlischer Verzückung. Nach
Ansano haben alle grossen Namen der spätsienesischen Schule sich an diesem
reizenden Sujet versucht. Unter Francesco di Giorgio,s, des grossen
Architekten, malerischen Versuchen zeigt nur seine Caterina eine anziehendere
Inspiration. Beccafumiis ungezügelter Pinsel schildert sie knieend, ausser
sich voll Liebesentzücken, die Wundmale des Herrn empfangend. Alle über-
traf S 0 d 0 m a mit seinem berühmten Bild der Ekstase Caterinas, das den Haupt-
schmuck von S. Domenico bildet. Man sieht die Heilige, dem Irdischen ent-
rückt, in die Arme ihrer Begleiterinnen fallen, auf deren bewunderndem Ant-
litz sich die Herrlichkeit des Himmels abspicgelt: ein Werk, in dem sich die
ganze süsse Weichheit Bazzrs mit der Lionardo abgelcrnten Harmonie und mit
raffaelischer Schönheit zusammenfindet. Später hat sich in der Vorstellung
anderer Künstler, Wie Ambrogio Borgognones und Fra Bartolommeds, die
sienesische Jungfrau mit der alexandrinischen Caterina vermischt: oder viel-
mehr, man stellte in der einen die andere dar.
Sano di Pietro war übrigens auch als Madonnenmaler überaus thätig.
Die Masse der Bestellungen hat ihn mehr als einmal zur Flüchtigkeit ver-
führt; aber einige seiner Marienköpfe, wie die zwei in der Akademie der schönen
Künste zu Siena, üben mit ihrem Ausdruck unbeschreiblicher Schwermuth und
Traurigkeit eine wahre und tiefe Wirkung. Auch seine für weitere Kreise
bestimmte Krönung der Jungfrau ermangelte nicht der Grossartigkeit und
Majestät. Seine Krönung Mariae an Porta ltomana löste zugleich eine religiöse
und politische Aufgabe: Itio meint, kein Maler, sei es der umbrischen, sei es der
florentinischen Schule, selbst Fra Angelico, der Mystiker par excellence, habe
jemals anmuthiger und lieblicher dargestellt, wie sich die Jungfrau vor ihrem
göttlichen Sohne in Demuth neigt, keiner dem bescheiden niedergeschlagenen
Auge, den zart über der Brust gefalteten Händen tiefern Ausdruck verliehen
als es Ansano in diesem Bilde gethan, das man als sein Meisterwerk be-
zeichnen könnte, wäre der Christustypus nicht hier ebenso ungenügend wie
auf seinen andern Bildern.
Auch eines andern Meisters muss hier in Ehren gedacht werden. Es
ist Lorenzo Vecchietta (Lorenzo di Pietro, geb. 1412, gest. nach 1480),
berühmter als Bildhauer denn als Maler. Von seiner silbernen Büste der
hl. Caterina war bereits Rede: sie ist während der Belagerung Siena's 1555
verschwunden. Als Bildhauer schuf er weiter die Statuen Petri und Pauli
an der Loggia do' Mercanti, zehn Jahre später das herrliche Broncetabernakel
am Hochaltar des Sieneser Domes, dessen Christus den Vergleich mit Dona-
tellols Schöpfungen nicht zu scheuen braucht (1465-1472). Das Werk war
ursprünglich dem Hospital della Scala zugedacht, dem der Künstler die
letzten Jahre seines Lebens gewidmet hat. Kinderlos, waren die Armen ihm
Kinder und Erben geworden. Als Alter und Krankheit ihn ans Ende ge-
mahnten, erbat und erhielt er die Erlaubniss, den Rest seiner Tage auf
die Ausschmückung einer Kapelle zu verwenden, in der die Armen des Spitals
für ihn beten sollten. So danken auch dieses Mannes letzte und voll-
endetste Werke, die Sculptur mit der Auferstehung Christi und das in der
Akademie der schönen Künste bewahrte Gemälde beides Zeugen für die