Zweiundzwanzigstes B1
Die
u-enzetti
im Trecento leisten, hat ganz den sienesischen Charakter, der dann in starken
Wellen sich nach Perugizt liinüberträgt und in Peruginds gefälliger Weichheit
wieder auflebt, während die mystische Schule der Lorenzo Monaco, der Fiesole
weder in Aeusserlichkeiten, wie den langgezogenen, das ganze Weisse sehen-
lassenden Augen, noch in der stillen Versunkenheit ihrer wundervollen Typen
sienesischen Einfluss zu verleugnen im Stande ist.
Wenn wir demnach als die charakteristischen Tugenden der Sienesen
einen weit über Cimabue und Giotto hinaus ausgebildeten Sinn für anmuthige
Einzelerscheinung verbunden mit der Milde und dem feierlich gestimmten
Wesen der Gestalten (vgl. den Typus im Madonnenbild Fig. 38), besonders
schmerzerfüllter heiliger Frauen, vor uns sehen, so können wir uns auch über
die Schwächen derselben nicht täuschen. Eine so kraftvolle Persönlichkeit
wie Giotto hat die Schule Siena's nicht aufzuweisen. War es Naturell seiner
Bewohner, war es die Folge eines beschlossenern, weit Weniger kampfreichen
Lebens, das dramatische Element tritt in Siena bedeutend zurück, seine Künstler
besitzen selbst auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung eine geringe Erzählungs-
kunst. Erst mit den Lorenzettfs, welche schon Ghiberti die Dramatiker der
Schule genannt hat, dringt etwas von diesem Element in dieselbe ein. Pietro
Lorenzetti tritt seit 1305 in Siena auf; das Madonnenbild in S. Ansano,
die Geburt der Jungfrau im Dom, das Altarblatt in der Pieve zu Arezzo, die
Passionsbilder in der Unterkirche zu Assisi zeigen einen Meister, der sich mit
seinem dramatischen Grundzug den Florentinern nahert- und ebenso durch
kräftig leuchtende Farben wie durch innere Harmonie eine grosse Wirkung
hervorbringt. Allgemein wird ihm auch die Schilderung des Eremiten- und
Heiligenlebens an der Südwand des Camposanto in Pisa zugeschrieben ich
glaube, ohne hinreichenden Beweis 1. Noch bedeutender als Pietro ist sein
Bruder Ambruogio, der seit 1324 nachgewiesen ist, 1331 in S. Francesco
in Siena die von Ghiberti geschilderte Geschichte der Minoritenbrüder und
ihres Martyriums bei den Sarazenen ein in Formgebung und Handlung
noch sehr unvollkommenes Werk schuf, dann aber 1337-1339 den ,Saal
der Neun" (Sala della Pace) im Palazzo pubblico ausmalte. Das ist, wie
Ambruogids bedeutendstes Werk, so auch eine der umfang- und belangreichsten
allegorischen Malereien aller Zeiten; leider auch diejenige, wo die Allegorie
am weitesten über die zulässige Grenze hinaus übertrieben wurde. Der Vor-
wurf trifft sicher mehr die Auftraggeber als den Meister. Man hatte ihm
aufgegeben, die Segnungen der Gerechtigkeit und eines weisen, friedliebenden
Regimentes im Gegensatz zu der Tyrannei und der Zwietracht zu schildern.
Die Allegorie erscheint hier ganz im Dienste der Väter der Stadt, deren
Regierung der Kritik breiten Raum liess: man merkt auch hier die Absicht,
und wird verstimmt. Auf dem ersten Bild (Fig. 39) sieht man die riesen-
grosse symbolische Gestalt des sienesischen Staatswesens wie einen römischen
Kaiser auf dem Thron sitzen, zu ihren Füssen Romulus und Remus mit der
Wölfin; neben ihm thronen unter der Gestalt von gekrönten Frauen die
staatserhaltenden Tugenden der Pax, Fortit-udo, Prudentice, Magnanimitas,
Temperantia, Iustitid, über ihm schweben in der Luft die drei theologischen
Tugenden Fides, Spes und Caritas, zu denen sich die weltlichen als Vorbereitung
verhalten. Zur Linken oben sieht man das geiiügelte Brustbild der Sapie-ntia,
welche eine ungeheuere Wage trägt, deren Schalen von den Händen der
unten