Volltext: Die Kunst des Mittelalters, der Renaissance und der Neuzeit: Renaissance und Neuzeit (Bd. 2, Abth. 2, Hälfte 1)

italienische 
FfÜIIITBIIEIÄSSIIIICO. 
Die Kathedrale von Avignon, die Consistoriuinshalle und die Kapelle des 
päpstlichen Palastes, diejenige des S. Uflizio daselbst zeugen von den reichen 
Aufträgen, welche der päpstliche Hof dem Sieneser Meister hier zuwandte, 
während das Tafelbild mit der Jtückkehr des jugendlichen Heilands aus dem 
TempeP (Royal Institution, Liverpool) zwar seine ausdauernde Sorgfalt in der 
Detailmalerei, aber keinen Fortschritt in der dramatischen Schilderung be- 
weist. Er starb zu Avignon 1344. Die Verfasser der ,Geschichte der italienischen 
Malerer (H, 209) nennen Simone Martini mit Recht den vollkommensten Re- 
präsententen der sienesischen Kunst. YVas zunächst die technische Seite dieser 
Kunst betrifft, so verbleiben die sienesischen Maler im Wesentlichen bei der 
hergebrachten Methode und ihrem pünktelnden Farbenauftra g. Ebenso halten sie 
an der typischen Compositionsweise fest, wie sie, beeinflusst von dem Byzan- 
tinismus, in Italien platzgegrilfen hatte. Während die Florentiner frühzeitig 
sich der Einfachheit und des Ebenmasses zu befleissigen strebten, bewahrt 
Avignon. 
Simone Murbiui, 
Madonna mit Heiligen. 
Palazzo pubblico zu Sicna. 
(Nach Förster.) 
Siena die Neigung zu Ungestüm und Gewaltsamkeit der Bewegung bei den 
männlichen Figuren, ebenso wie zu hinsehmelzendei- Weichheit und Anmuth 
bei den Weiblichen. Parallele, langgezogene Augenlider, die die Iris oft 
kaum erkennen lassen, spitze Köpfe mit gestreckten Zügen, oder runde Gesichter 
bei beleibten Formen, verhaltene seltsame Wendung von Händen und Füssen, 
kurze, derbe Gliedmassen der Männer, spitze, dünne der Weiber, überhaupt 
eine affeetirte Milde des Frauentypus bilden das Charakteristische der Sieneser 
Typen. Das Feurige des sienesischen Temperamente: spricht sich nur aus in 
dem glänzenden Colorit, während die Liebe zu sorgfältiger Gewandmalerei 
die Ruhe einer von der grossen Entwicklung abliegenden Existenz hervortreten 
lasst. Sienesische Bilder wirken darum hauptsächlich in nächster Nahe, 
während die ilorentinischen aus der Entfernung betrachtet sein wollen. Diese 
allgemeinen Züge der sienesischen Schule haben auch nach aussen starke Ein- 
Wirkung geübt; ihr Einiluss tritt in der Anmuth und Zartheit hervor, mit 
welcher Orcagnefs Pinsel die florentinische Herbigkeit milderte, mehr noch 
in den Schöpfungen Trainfs und jenes unbekannten grossen Meisters, dem 
wir den ,Triuinph des T0des' in Pisa verdanken. Was Gubbio, Orvieto, Fabriano
	        
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