Zweiuudzwanzigstes
genommen; dasselbe gilt von der Figur des Täufers, nur dass auch hier schon
die wilde Herbigkeit der Züge begegnet. Verstämlnissvoller als bisher sind
Durchbildung des Actes und Zeichnung der Gliedmassen bei sämmtlichen Predellen-
gestalten, an denen die Neigung zur Kleinheit der Extremitäten auffällt.
Durchgehends gebührt den Frauengestalten der Vorzug; Gebärden und Ver-
hältnisse sind wahrer und richtiger aufgefasst als bei den Männern. Trotz
der Adlerprofile spricht Weibliche Scheu, sanfte Empfindung, Hingebung mehr
noch als Grazie aus ihren schmalen länglichen Gesichtern. Das Arrangement
liiessendei- Gewandung um Leib und Haupt, die nichts Eckiges an sich hat,
steigert die Wohlgefälligkeit des Ganzen. Bei den Engelsgestalten ferner zeigt
sich an den grossen ovalen Köpfen -n1it zurückgekämmtem Haar, das auf-
gebunden ist und die Locken in Fülle den zierlichen Nacken entlang gleiten
lässt, sowie an den schmalen Händen und zarten Fingern Duccids Vorliebe
für altherkömmliche Typen, doch auch sie haben durch Weichheit der Züge
und Milde des Ausdrucks Vervollkommnung erhalten; besonders reizend sind
die, welche ihre Köpfe so vertraulich auf die Thronlehne der Himmelskönigin
legen. Auf diese Weise ist frische Empfindung in die alten Modelle gegossen,
vielfach eine neue Charakteristik erreicht und in den minder glücklichen
Partien wenigstens gleiches Streben ausgedrückt. Aufgezeichnet sind die
Figuren mit einer Bestimmtheit und einer Sorgfalt für die Einzelheiten, die
einem Niederländer Ehre machen würde, und die ausgesuchte Zierlichkeit der
Ornamente und Stickereien lobt nicht bloss den Geschmack und die Geduld
des Malers, sondern auch seine weise Wahl der Materialien. Dank der äusserst
mühevollen Vertreibung und Abrundung der Töne hat das Oolorit Kraft und
leuchtenden Schimmer, indes bleibt die gewöhnliche Wirkung der graugrünen
Untermalung nicht aus, welche durch Lichter und Lasuren durchscheinend die
allgemeine Farbenharmonie beeinträchtigt. Dadurch entsteht allerdings eine
gewisse Flachheit, um so mehr, weil die Licht- und Schattenliächen ziemlich
auseinander fallen. Immerhin offenbart sich in der Farbe bereits die Haupt-
stärke der von Duccio begründeten Schule; dies und die Verschiedenartigkeit
in der Behandlung der Männer- und Frauengestalten, sowie die bei allem
Geschmack doch überreichlich angebrachten Zierate bilden die vorwiegenden
und bleibenden Merkmale." Nicht minder herrlich als an der Maiestas be-
währt sich das Talent des Meisters an den 26 Bildern der Rückwand, wenn
wir auch zugeben müssen, dass ihm die massvolle Würde der Florentiner fehlt
und er der hergebrachten Darstellungsweise in Form, Bewegung, namentlich
in Schilderung seelischer Erregtheit, noch zu starken Tribut zahlt. Aber
unter den vorhandenen Typen hat er doch mit Bewusstsein die edelsten aus-
gewählt: welch einen Abstand bieten z. B. seine ,Marien am Grabe' (Fig. 36) in
ihrer ergreifenden Dramatik gegenüber der byzantinischen Erzählung desselben
Ereignisses! Vollendet ist der Typus der hl. Jungfrau, wie er fünf- oder sechs-
mal in diesen kleineren Bildern uns entgegentritt, an Reinheit der Contouren
und an Innigkeit des Ausdrucks noch dem Hauptbild überlegen: weit über-
legen aber auch an Tiefe der Empündung all dem, was der gleichzeitige
Naturalismus Giottois in seinen, den Florentiner Bürgermadchen abgesehenen
Madonnengesichtern zu leisten vermochte.
Von Segna (1305 9), den man als Schüler Duccio's bezeichnet, sind nur
wenige Werke bekannt: so die Maiestas zu Castiglione Fiorentino, wo die
Cßowß
CAVALOASELLE,
Ausg-
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