ÄWÄIÄLLGÄE:
nach dem Sturz der bosporanischen Dynastie in Pantikapaon an die Gothen,
von diesen an die Hunnen und endlich an die Gepirlen gelangt. Der Stil der
Völkerwanderung. wie ihn der Attilaschatz darstellt, hatte dann grosse Ver-
breitung, nicht nur in den Pontosgegenden, sondern auch in Italien, Frank-
reich und Spanien gefunden. ,Die merowingische Kunst gehört ebenfalls diesem
Stil an; sie ist keineswegs im Westen entstanden. In den Ländern des
heutigen Ungarn ist dieser „merowingische" Stil um wenigstens ein halbes Jahr-
hundert früher heimisch als in Frankreich oder Belgienf Labarte wollte diesen
Stil aus Byzanz ableiten; Hampl folgt einer Hypothese de Lasteyrie's, indem
er sowol für die byzantinische Kunst als für die der Völkerwanderung eine
gemeinsame Wiege in den pontischen Städten annimmt. Diese Annahme hat
vieles für sich; es ist gewiss, dass durch dieselbe ein ,Stück des räthselvollen
Schleiers gelüftet wurde, der gerade über diesem wichtigsten Zeitraum der
frühesten byzantinischen Kunst ruht" 1. Wie dem aber sei, diese ganze Kunst
der Völkerwanderung ist von einer positiven Beeinflussung durch den christ-
lichen Geist noch frei; christliche Bezeichnungen, wie sie hier auf den Gold-
schalen von Nagy-Szent-Miklos und auf manchen anderen Grabfunden auf-
treten2, sind gewissermassen nur äusserliche Zuthaten. Das Kunstwerk ist
noch nicht einer durch das Christenthum befruchteten Phantasie entsprungen.
In ein neues Stadium tritt diese ,barbarische' Kunst von dem Augenblick
an, wo ihre Träger infolge ihrer Niederlassung innerhalb der Grenzen des
römischen Reiches mit den indigenen christlichen Elementen in Berührung
kommen und den Einfluss der Religion Christi in sich erfahren. Diese Ein-
Wirkung trat nicht sofort und überall ein, wo sich germanische Stämme an-
gesiedelt hatten, und die religiöse Einwirkung war auch keineswegs überall
und sofort von einer künstlerischen Anregung gefolgt. Die Vandalen in Africa
haben zu der Kunst kein anderes Verhältniss gehabt als das negative, welches
ihren Namen gebrandmarkt hat. Das gleiche gilt von anderen Stämmen.
Die nomadische Wildheit musste ausgegoren haben, ehe die milde Sonne des
Ohristenthums die Einbildungskraft dieser Nationen auf das Schöne hinzu-
lenken vermochte. Und auch da War der Erfolg ungleich und wechselnd.
Italien bietet uns das erste Beispiel einer Gewinnung des Germanenthums
Gothen. für die römisch-christliche Cultur. Die Gothen Theoderichs haben sich dieser
rasch a.ngeschmiegt; aber die Kunstwerke, welche unter dem grossen König
geschaffen wurden, waren das Werk römischer und griechischer Hände,
höchstens in dem Mausoleum Theoderichs, jenem steinernen Hünengrab, kann
die Verkörperung germanischer Tendenzen erblickt werden. Diesem geist-
vollen und hochsinnigen Volke der Gothen war in Italien nur ein kurzes Leben
Langobardi- beschieden. Glücklicher waren die Langobarden, deren Reich wenigstens
im") K""St' zwei Jahrhunderte aufrecht stand, bis der Anprall der Franken es zerstörte
und das langobardische Element von dem lateinischen aufgesogen wurde. In
seiner besten Zeit umfasste das von Alboin 568 begründete Langobarden-
reich fast ganz Italien, mit Ausnahme der den Byzantinern verbliebenen
1 Vgl. T11. v. FBIMMEL im Repert. für
Kunstwissensehaft XI 173.
2 Reiches Material bieten nach dieser
Richtung die Sammelwerke von COCHET (La.
Normandie souterraine. Paris 1854; Sepul-
tures gauloises etc. Rauen 1857), L. LINDEN-
SCHMIT (Handbuch der deutschen Alterthums-
kunde Bd. I. Braunschweig 1880-1889;
vgl. die dort angeführte Litteratur I 64;
Alterthülner der heidnischen Vorzeit u. s.
Vgl. Nommom Ueber vorchristliche Kunst
bei den Germanen (Repertorium für Kunst-
wissenschaft XI 147). BERTRAND Archeol.
celtique et gauloise. 2a 6d. Paris 1889.