Zehntes
Buch.
Erste
Ansätze
der
Kunst
bei
den
nordischen
Völkern.
Erziehende
Thätigkeit
der
Kirche.
Der
Benediotinerorden.
MAN hat die welthistorisehe Bedeutung der Völkerwanderung darin ge-
funden, dass der kräftige, lebensvolle und saftreiche Wildling, Germane
genannt, der rechte Stock war, dem der göttliche Keim für die edelsten
Früchte eingeimpft werden konnte (Arndt). Aber dass dieser neu gepflanzte
Stock selbständige, seinem innersten Mark entsprossene Blüten und Früchte
künstlerischer Natur zu treiben vermochte, dazu bedurfte es jahrhunderte-
langer Vorbereitung. Die Jahre der Kindheit müssen vorüber sein, ehe unsere
Phantasie auf dem Gebiete des Schönen selbständig zu schaffen und zu ge-
stalten im stande ist.
Waffen und Grabfunde anderer Art lassen bei allen germanischen Stämmen
eine primitive Kunst erkennen, welche man den Stil der Völkerwanderungs-
zeit genannt hat. Alle diese Geräthschaften charakterisiren sich durch die
ausschliessliche Verwendung des Linienornamentes; dann tritt 0b infolge
der Berührung mit römischem Einfluss? das Thierornament hinzu, dessen
Grundelemente Vierfüssler und Vögel, meist nur in ganz allgemeiner An-
deutung, bilden. Der rein ornamentale Zug ist vorherrschend und offenbart
sich in dem reichen Band- und Flechtwerk, auch die Thierfiguren sind nur
Ornamentmotive.
Auf diesen barbarischen Hervorbringungen treten nun seit dem 5. Jahr-
hundert christliche Bezeichnungen, Kreuze, Monogramme, Inschriften, auf.
Das merkwürdigste Beispiel dieser Richtung ist der sogen. Attilaschatz,
der 1799 gefunden und jetzt im Wiener Antikencabinet bewahrt wird1. An
mehreren zu diesem Funde gehörigen Goldschalen befinden sich christliche
Inschriften. Eine derselben wird auf das Jahrhundert zurückgeführt und
scheint einem gepidischen Theilfürsten christlichen Bekenntnisses angehört zu
haben. Zwei andere Schalen tragen ein Monogramm und die zwischen das
Jahrhundert gesetzte Inschrift: Aäa Üöarog (Zuamlüaruu äliqzjseg nllurruu
äpzznriruv, Welche an eine Verwendung der Schüsseln als Taufgefasse denken
lässt. Nach Hampls Ausführungen weisen die künstlerischen Eigenschaften
des Schatzes auf einen mixthellenischen Kunstkreis frühchristlicher Zeit
vielleicht in Pantikapäon oder einer Stadt am Pontos hin. Der Schatz wäre
Völker-
wande-
rungsstil
Attila-
schatz
Der Goldfund von Nagy-
Schatz des Attila. Bei-
' JOSEPH IIAMPL
Szent-Miklmßs, sagen.
trag zur Kunstgeschichte der Völkerwande-
rungsepoclme. Buda-Pest 1886.