Buch.
Neuntes
das Ornament eingehend studirt worden 1. Aus den Arbeiten der Russen heben
sich hier neben Kondakoffs Pilblicationen diejenigen A. P okrowskfs her-
vor 2. Die von ihm beschriebenen Miniaturen des Gelatski-Klosters mit den
Darstellungen der Himmelfahrt Christi, der Verklärung, der Geburt, des
Abendmahls, des Lazarus, des im Schifflein schlafenden Herrn (mit den Wind-
göttern, wie in Reichenaul), dem Tanz der Herodias, der Verkündigung und
der Darstellung im Tempel, der Kreuzigung und Kreuzabnahme sind nicht
bloss wegen ihrer verhältnissmässig lebhaften Dramatik, sondern auch wegen
des Zusammenhangs der Sujets und Typen mit abendländischen Werken
merkwürdig. Noch interessanter sind die neuestens von Pokrowski veröffent-
lichten Wandgemälde3: man sieht da Apostel- und Madonnenbilder (stehend
wird hier der Typ der Madonna als Orans, mit dem in ein Rilndmedaillon
eingeschriebenen Brustbild des Kindes, das vor der Brust der Mutter an-
gebracht ist; s. Pokrowski Wandgemälde Taf. 1), Scenen aus dem Leben
J esu (mit Benützung der Apokryphen), ein äusserst bemerkenswerthes jüngstes
Gericht, das nun leider halb zerstört ist (Taf. 5; unsere Fig. 459). Es er-
scheint da Michael mit der Seelenwage; der König des Höllenreiches sitzt, eine
als nacktes Kind geschilderte Seele auf dem Schoosse, auf einem greifaitigen
Ungeheuer, in dessen Rachen ein Verdammter hängt; die Apostel sitzen, ähn-
lich wie auf dem Reichenauer Wandgemälde, auf einer Art von Chorstühlen,
Engel hinter ihnen, neben dem Rex gloriae, der von der Mandorla umstrahlt
zwischen Maria und Johannes dem Täufer erscheint. Es begegnen uns da weiter
Geburt und Taufe Jesu, die himmlischen Chöre, die Litrurgicr coelestis (Taf. 14.
18; unsere Fig. 460); die Kreuzigung Christi, in ausgeprägt naturalistischer
Auffassung und unter italienischen Einflüssen (Taf. 20); ein höchst seltsamer
Spaziergang durch die Hölle (Taf. 27), der stark an Dante erinnert, allerdings
auch wol dem spätern Mittelalter angehört. Viel älter noch, bis ins 11. Jahr-
hundert hinaufgehend, sind" die Fresken der Sophienkirche zu Kiew (Abend-
mahl, Apsidalbild mit Madonna und zahlreichen Heiligen), Welche Tolstoi und
Kondakoff veröffentlicht, Dobbert in so erspriesslicher" Weise untersucht haben.
1 Vgl. SGHNAASE a, a. O. III 342 f. Nach
BUSSLAIEFFS Forschungen J. P. RICHTER in
,Unsere Zeilf, Neue Folge XIII (1877), Heft 19.
VIOLLET-LE-DUC L'art russe. Paris 1877.
Dazu DARCEL in Gaz. des beaux-arts 1878,
mars, und BAYET L'art byz. p. 276. VICTOR
DE BOUTOWSKI Hist. de Pornement russe du
X8 aü XVIE siäcles. 2 vols. Paris 1870.
Ueber die altruthenische Kunst vgl. noch
Dzmnuszcx: in Mittheil. der k. k. Central-
commission XIV (1889) 224 f.
2 A. Polmowsxl Miniaturen des Gelatski-
klosters (I2. Jahrhundert). Mit 18 Abbil-
dungen. St. Petersburg 1887 (russisch).
3 Ders. Wandgemälde in den alten grie-
chisch-russisehen Kirchen. Moskau 1890
(vgl. Repertorium für Kunstwissensehaft
XV 217); Das Evangelium in den Denk-
mälern der lkonogrzmphie. TOLSTOI und
KONDAKOFF Russische Alterthümer Lf. 4.
St. Petersburg 1891. Vgl. noch BUSSLAIEFF
Ueber die russische Heiligenbildmalerei (in
dem Sammelbande der Gesellschaft für alt-
russisclie Kunst, 1866 [russiseh]), und manche
andere Litteratur, die E. Doßßmw in seiner
,Slsudie über das Abendmahl Christi in der
bildenden Kunst" (Repert. für Kunstwissen-
schaft XV 377 f. 514 f.) berücksichtigt hat.