Die byzantinäääal Kunst.
beraubt und zerschlagen, die Kaisergräbor in der Apostelkirche aufgerissen und
geplündert, die Broncestatuen wanderten in die Münze. Wol konnte Nicetas
Choniata, der diese Dinge beschrieben, die ehemalige Königin der Städte
einem ihrer Kinder beraubten, nun in schmutzige Lumpen gehüllten Bettel-
weibe vergleichen. Das 1261 durch Michael Palaeologus aus Trapezunt nach
Constantinopel zurückgebrachte Kaiserthum führte bei der Desorganisation aller
Verwaltungszweige und der Provinzen, unter der beständigen Bedrohung durch
den türkischen Erbfeind, nur mehr eine klägliche Existenz. Für die Erhal-
tung der Hagia Sophia und der grossen Paläste fand sich kein Geld mehr.
Den traurigen Zerfall der Denkmäler constatirten abendländische Reisende,
welche im 15. Jahrhundert Constantinopel besuchten: Ruy Gonzales de Ola-
vijo, der 1403 als Gesandter Castiliens dahin kam, und der Florentiner Bondel-
monti, der 1422 voll Schmerz den Ruin der Sophienkirche beschrieb. Immer-
hin fanden die Türken 1453 noch zahlreiche herrliche Kirchen, die sie in
Moscheen verwandelten, Tausende von Statuen, Bildern, Mosaiken, an denen
sie ihre Zerstörungswuth bethätigen durften. Der Franzose Pierre Gilles
(Gyllius), der um 1550 die Levante besuchte, stiess noch auf eine Menge
kostbarer Reste des Alterthums und des Mittelalters. Heute sind auch die
letzten Spuren derselben bis auf eine Anzahl von Kirchen verschwunden 1.
In diesen zwei Jahrhunderten hat es nicht an kunstliebenden Iiaisern Tilfßllyildcl"
gefehlt; aber die künstlerische Phantasie war erloschen, die Kunst war
gelebt. Von dem abstossenden Zustand ihrer Erstarrung geben Miniaturen
wie diejenigen, welche Manuel Palaeologus in dem jetzt im Louvre bewahrten
Codex des Areopagiten (1408), einer Handschrift des ausgehenden 14. Jahr-
hunderts mit der Darstellung des Kaisers Johannes Kantakuzenus2, schaffen
liess, beredtes Zeugniss. Die einzigen nennenswerthen Anregungen empfing,
wie das auch Springer anerkennt3, die Kunst noch aus den Händen der
Kirche; so konnte die monumentale Malerei sowol in den zahlreichen Kirchen
Constantinopels und des Reiches als auch in der Tafelmalerei einen gewissen
Aufschwung erleben. Die Sammlung des Museo Cristiano im Vatican besitzt
eine Anzahl hierher gehöriger Tafelbilder, unter denen des Emmanuel
Tzanfurnari Leben der syrischen Einsiedler zu nennen ist. Andere Meister
werden auf Tafeln in Neapel, Florenz u. s. W. genannt 4. Den Mittelpunkt
dieser künstlerischen Bestrebungen bildeten aber die Klöster am Athos-
berge, in denen das griechische Mönchthum sich sozusagen eine letzte,
befestigte Zuflucht geschaffen hatte, welche auch von den Türken respectirt
wurde und die sich bis auf die Gegenwart erhielt 5.
Der Athos (ö Üläwg, auch rb äyzov Jpog, der heilige Berg) ist seit dem Den-mos-
9. Jahrhundert von Mönchen besiedelt. Sein ehrwürdigstes Kloster ist die klostc"
1 PETRI GYLLII (1490-1555) De topo-
graphia Constant. et de illius antiquitatibus
libri IV. Lugd. 1561. Den Bericht des
RUY GONZALES übersetzte Pnosmm Memmäm
in DALWs Rev. (Tarchit. vol. II.
2 BAYET p. 233, Fig. 78.
3 Grundz. II 3 144.
4 Vgl. lfAen-Icounr V, pl. 82. 92. 93. 111.
5 Vgl. über die Athosklöster und ihre
Kunst DIDRON Ann. areheol. (an zahlreichen
Stellen, besonders tt. IV. V. XX s. XXIII s.
XXVII PAPETY in ,Rev. des Deux Mondes!
1847. MILLER Archivcs des Missions t. II,
und ,Oorrespondant' 1866. LANGLOIS Le Mont
Athos. Paris 1867. A. PROUST Tours du
monde. 1860. MELCHIOB. DE Voeüli Syrie,
Palestine, Mont Athos. Paris 1876; 2 1887.
NEYRAT L'Athos. Paris 1884. DUGHESNE et
BAYET Mämoire sur une Mission au Mont
Athos. Paris 1876. BAYET L'art byzantin
p. 240 s.
Am vollständigsten und besten jetzt HEINR.
BROCKHAUS Die Kunst in den Athos-Klöstern.
Lpz. 1891.