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Neuntes Buch.
zeigt. Dieser Richtung gehört eine grosse Zahl der jetzt in Constantinopel
und in den Provinzen zahlreich entstandenen Kirchen an; als Repräsentanten
derselben können die unter Leo dem Philosophen und. Constantinus Porphyro-
genitus erbaute Theotokoskirche in Constantinopel, die des Pantokrator (jetzt
Moschee Kilissa-Dschami, im 12. Jahrhundert durch Irene, Gemahlin Johannes
C01nnenus', errichtet), in Saloniki die Apostelkirche, die 1012 gegründete
Eliaskirche und die 1028 geweihte Marienkirehe gelten. Unter den letzteren
ist die Apostelkirche, welche Texier1 dem 7. Jahrhundert zuschreibt, Während
Bayetz sie dem 1O.-11. Jahrhundert zurüekgibt, die bedeutendste.
Die byzan- Das Zeitalter der Kreuzzüge versetzte Byzanz und seiner Kunst den
Klfägfcßfjch ersten tödtlichen Streich. Das Schisma, welches Michael Caerularius zu
den __Kreuz- einem deiinitiven gemacht, kam Morgen- wie Abendländern erst seit den
"gen Kreuzzügen zum vollen Bewusstsein; es trug nicht wenig bei, um die kreuz-
fahrenden Lateiner den Griechen als Feinde ihres Reiches erscheinen zu
lassen. In der That haben die Kreuzzüge die Desorganisation des Ostreiches
auf allen Punkten beschleunigt; auf keinem konnte Byzanz sich rühmen, durch
diese Unternehmungen etwas gewonnen zu haben. Das gilt auch von der
Kunst. Die Franken brachten nach Palästina ihre heimische Architektur mit;
zur Ausschmückung ihrer Bauten wurden freilich Griechen verwendet, wie die
1169 von Ephrem ausgeführten Mosaiken der Nativitätskirche in Bethlehem
Lateinische zeigen. Auch auf anderen Gebieten verräth sich der Einfluss der Lateiner.
Emüüsse" Es entstehen lateinische Kunstwerke hinten im Orient; an anderen beobachtet
man ein Zusammenwirken fränkischer und griechischer Künstler, wie bei dem
Psalter aerPsalter der Melisenda, der Tochter König Balduins II und Gemahlin
Mensemm F0lco's von Jerusalem (1131-1141), wo byzantinische Miniaturen (mit dem la-
teinischen Namen des Urhebers: Basilius me fecit) und lateinische Initialen und
Bilder nebeneinander stehen. Dieselbe Zusammenstellung bieten die Buchdeckel
des Melisenda-Psalters, zwei Elfenbeinplatten, wo lateinische Inschriften die
angeblich griechischen oder griechischen Originalien abgesehenen Medaillons
begleiten (Fig. 453 u. 454) 3. Zu einer innern Durchdringung beider Culturen
ist es aber nicht gekommen; dazu war der Contact zu kurz und zu feindlich.
Die Ereignisse von 1204 zerschnitten das letzte Band, das Byzantiner und
Abendländer noch verknüpfte. Die Zerstörung des byzantinischen Reiches durch
die Venetianer war der erste grosse Fehler, den die Republik des hl. Marcus
beging: es fiel der Pufferstaat Weg, der Europa von den Türken trennte. Die
Einnahme Constantinopels durch die Franken 1204 war der Untergang der ost-
römischen Cultur und ihrer Kunst. Es ist beschämend, zu lesen, welche Ver-
wüstung die Kreuzfahrer" in der Hagia Sophia und allenthalben anrichteten.
Der Altar der Sophienkirche, ihr Ambon, die Ikonostase wurden ihres Goldes
1 Arch. byz. p. 161.
2 L. o. p. 140.
3 Das ist wenigstens die von BAYET
(p. 226) getheilte Annahme CAHIERS (Nouv.
MeL, Paris 1874, Ivoires etc. p. 1 ss., pl. 1
u. 2), wozu ich freilich bemerken muss, dass
mir dieses Elfenbeinschnitzwerk auch in seinen
Sculpturen einen eher lateinischen als byzan-
tinischen Eindruck macht. Die erste Seite
stellt David und Allegorien aus der Psy-
chomachie des Prudentius dar; die zweite
die Werke der Barmherzigkeit. Es ist nicht
wahrscheinlich, dass Byzantiner des 12. J ahr-
hunderts sich an den lateinischen Hymnen-
diehter des 5. Jahrhunderts sollten angelehnt
haben.