Buch.
Neuntes
hundert von Constantinopel an Ludovico il Moro kam und später durch
Paul V für die Vaticana erstanden wurde 1. Es stellt die byzantinische
Technik der Buehmalerei in ihrer höchsten Ausbildung dar und üxirt für
alle späteren Jahrhunderte die Typen der byzantinischen Ikonographie. Wir
besitzen nur etwa die Hälfte des ganzen Werkes, die auf die Monate Sep-
tember bis Februar treffenden Bilder des Kalenders; und deren sind nicht
weniger als 430. Verschiedene Hände haben daran gearbeitet; es nennen
sich die Künstler Pantaleon, Michael Blachernita, Simeon Blachernita, Michael
der Jüngere, Minaeus, Nester, Georg. Originalität und Frische der Compo-
sition würde man hier vergebens suchen. Die Darstellungen sind in Minia-
turen umgesetzte Mosaiken mit der ganzen Steifheit, die dieser Technik an-
haftet und die hier in kleinem Massstab den Eindruck trauriger Monotonie
macht. Demnach entbehren die Typen jeden individuellen Charakters. Die
oval geformten Gesichter tragen einen krankhaften Anstrich; die Physiogno-
mien sind steif, ascetisch, doch mit einem ruhigen, entschlossenen Ausdruck.
Der Blick ist auf die Seite gerichtet. Menschliche, milde Empfindungen
werden nur trocken und süsslich wiedergegeben, aber in der Darstellung der
Grausamkeit der Henker und der Wildheit entmenschter Tyrannen sind diese
Maler sehr gewandt. Man sieht, woran dies Volk gewohnt war (Probe Fig. 451).
Kondakoff (II 107) macht auf den eigenthümlichen Zug aufmerksam, durch den
sich diese Miniaturen in der Behandlung der Gewandung von der antiken
Sculptur unterscheiden. Hier pflegt die rechte Hand der Frauengestalten den
Schleier von dem Gesichte wegzuziehen (der Gestus der sich ihrem Bräutigam
zeigenden Braut); dort, in den byzantinischen Heiligenbildern, deckt sich die
Frau das Gesicht zu (es ist der Gestus der Sanctimonßialis, der sich dem Kloster-
leben Widmenden). Eine Reihe anderer Handschriften, Welche Kondakoff
(II 109 f.) aufzählt, bildet die Ergänzung und gewissermassen die Fortsetzung
dieses Menologiums, an welches sich weiter die illustrirten Martyrologien
(wie das des Simeon Metaphrastes im British Museum, Nr. 11870), die illu-
strirten Homilien und Evangelien anschliessen. Unter den letzteren
nimmt das dem 11. Jahrhundert angehörende der Pariser Nationalbibliothek
(Nr. 74) die erste Stelle ein. Es bietet die echtesten Typen dieser von jetzt
ab sinkenden Kunst, Typen, welche die Feierlichkeit in Haltung und Stel-
lung der Figuren mit äusserster Trockenheit der Conception verbinden. Der
byzantinische Stil erreicht hier, selbst nach Kondakoffs (II 138) Geständniss,
eine Ausbildung nach der Seite der Difformität hin. ,Die Personen sind zu
lang, ihre Arme zu mager, ihre Gebärden und Bewegungen aifectirt; eine
leichenhafte Starre ist über das Ganze ausgebreitetf
Kondakoff selbst, wir heben das absichtlich hervor, charakterisirt ander-
Wärts diesen ausgebildeten byzantinischen Typ also (II 9):
,Unter den [von ihm geschilderten] Verhältnissen siecht die Kunst dahin,
und ihre schönsten Ueberlieferungen arten aus. Der griechische Typus, der Erbe
der edelsten attischen Race, mit seiner breiten, wenn auch nicht hohen Stirn,
seinen fein gebogenen Brauen, seinen grossen und tief liegenden Augen, seinem
zwar breit geschnittenen, aber feinen Munde, kurz, seiner ganzen schönen Ent-
wicklung der oberen Gesichtstheile: dieser Typus ändert seinen Charakter
und gewinnt ganz neue Züge, die der Kunst dieser Epoche einen eigenen
l Der Cardinal ALBANI hat das Werk mit
den Abbildungen reproducirt in seinem ,Me-
nologium Graecorum iussu Basilii impera-
toris graece olim- editumä 3vo1l. Urbini 1727.