Kunst.
byzantinische
In Constantinopel selbst scheint sich das productive Vermögen der By-
zantiner mit dieser gigantischen Leistung auf lange Zeit erschöpft zu haben.
Bald nach Justinian tritt auch die religiöse Verödung in die Erscheinung.
Ein geistiger Mord, wie der an Chrysostomus begangene, bleibt nicht un-
bestraft. Man muss vier, fast fünf Jahrhunderte nach seinem Tode zählen,
bis die Kirche Constantinopels wieder eine bedeutende Persönlichkeit hervor-
bringt. In die Zwischenzeit fällt der Bilderstreit 1.
Dass der Ikonoklasmus den Untergang zahlreicher Werke der monumen- Die byzan-
talen Kunst bedingt hat, ist zweifellos. Mit den Verboten der bilderstürmenden
Kaiser Leo III (728) und Gonstantin V Kopronymus (754) wurde indes haupt- dCwV-Jellr-
sachlich die religiöse monumentale Malerei getroffen, nicht aber die Profan- 1m"dert'
kunst, welche in Ausschmückung der Paläste vor wie nach zur Anwendung
kam und bald auch statt der verpönten religiösen Malerei in die Kirchen
oindrang, so dass, wie der Diakon Stephanus dem Kaiser verwarf, die Theo-
tokoskirche in den Blachernen einem Vogelhaus und Obstgarten gleichsah.
Die bilderfreundliche Gesinnung der Kaiserin Irene und des unter ihr ver- Der
sammelten allgemeinen Concils von 787 (2. zu Nicäa) war zwar wieder Bndcmrem
von einer ikonoklastischen Reaction gefolgt; aber Theodora, die Wittwe des
bilderstürmenden Theophilus (829-842), führte die Bilder im Triumphe in
die Hauptkirche Constantinopels zurück und feierte das Fest der Orthodoxie
(842, 19. Febr.), womit der lange Kampf seinen Abschluss fand.
Unterdessen hatte die Miniaturmalerei sich in den Klöstern nicht gänzlich Die
verloren; es ist anzunehmen, dass sie auch während des Bilderstreites von humaturml"
den Mönchen, deren Macht die Politik der kaiserlichen Ikonoklasten in erster
Linie angriif, insgeheim und mit Vorliebe gepflegt wurde. Mit dem Sieg der
Orthodoxie konnte sie sofort wieder ans Licht treten. Dass dieser Sieg zu-
gleich ein Sieg der besten und edelsten Tendenzen der Nation war, dass
der Triumph des Bildercultus zugleich einen Triumph der Intelligenz und der
Bildung bedeutete, das geht aus dem Aufschwung der Litteratur und Kunst,
der Dichtung und des politischen Leistungsvermögens hervor, wie er sich
sofort unter Theodoras Regentschaft und der bald folgenden macedonischen
Dynastie (867-1057) einstellt. Seit Basilius I (867-886), der dieses Haus
begründete, sehen wir die Schulen zu Constantinopel und Athen von neuem
aufblühen; aus dem fernen Westen kommen Fremde, um dort zu studiren,
es entsteht eine mit Bewusstsein auf die Antike zurückgreifende gelehrte
Dichtung und Litteratur. In dem Volksepos ,Digenis Akritas' (10. Jahrhundert)
werden in einem Schlosse neben religiösen Bildern auch Scenen aus der alten
Geschichte und Mythologie, wie die Kämpfe des Achilles, die Siege Ale-
xanders u. s. f., vorgestellt. Die Kaiser selbst gehen mit dem Beispiel als
Gelehrte und Künstler voran. Constantinus VI Porphyrogenitus (911-959)
ist Maler und Goldschmied; unter ihm erreicht die Kunst der Emailleure
ihren Höhepunkt.
Die Plastik hat gleich unter Basilius dem Macedonier neue Ansätze zu Elfünbßln-
verzeichnen2; es ist aber hier insbesondere die Elfenbeinschnitzerei, welche
in dieser Zeit einen frischen Aufschwung nahm und eine Anzahl Werke her-
1 Vgl. über die Folgen desselben für die
Kunst LABARTE 1. c. und KONDAKOFF a. a. 0.,
besonders auch Doßßmu- im Repert. für
Kunstwissenschaft XV (1892) 357 f. Danach
sind die älteren Vorstellungen zu berichtigen.
2 Vgl. die sehr beachtenswerthe und lehr-
reiche Publication STRzYeowsxfs Inedita der
Architektur und Plastik aus der Zeit Ba-
silius' I (in KRUMBACHERS Byzantinscher Zeit-
schrift III 1).