Die Katakomben:
zeliieii Coemeterien festzustellen und für die einzelnen Katakomben zunächst
die sogen. historischen Krypten und die im Laufe der Jahrhunderte vor-
gegangenen Veränderungen und Umbauten aufzuweisen. Diese Rcconstruction
des Katakombennetzes konnte de Rossi auf eine Reihe von Zeugnissen
stützen, von denen wir hier nur eine kurze Andeutung geben können. Zu-
nächst enthält das sogeii. ,Martyrologium Hieronymianum" eine MengfaAn-
gaben über die Beisetzung römischer Martyrer, Angaben, deren kritische
Verwendung allerdings erst dann statthaft erscheinen konnte, nachdem ein
gesichertes Urteil über das Alter, die Zuverlässigkeit und die Ueberliefe-
rung dieses Martyrologiums gewonnen war. Von grösster Wichtigkeit musste
ferner das Verzcichniss der Bischofsgräber (Depositio episcoporunz) erscheinen,
welches in dem berühmten, zuerst von Bucher (1634) dann von Mommsen
(1850 und wiederum 1892) herausgegebenen Almanach des Furius Diony-
sius Philocalus vom Jahre 354 enthalten ist. Ein Theil dieses Alma-
nachs bildet zugleich den ältesten Kern des im 9. Jahrhundert durch Ana-
stasius Bibliothecarius abgeschlossenen ,Liber pontificalisß dessen erste
kritische Ausgabe uns Duchesne kürzlich geschenkt hat. Eine weitere Quelle
floss in den Inschriften, mit welchen der Papst Damasus, dessen Secretär jener
Pliilocalus gewesen, die historischen Krypten der Katakomben geschmückt
hatte. Geringe Ausbeute boten die ältern Topographien Roms bis herab zu
den ,Mirabilia urbis Romaei Weit mehr liess sich gewinnen aus den Itiiie-
rarien des frühern Mittelalters, Aufzeichnungen von Pilgern, welche zwischen
dem 7. und 11. Jahrhundert Rom und seine Katakomben besuchten. Dazu
gehört auch das Verzeichniss der Reliquien bezw. Olea sancta, welche der
von der Langobardenköiiigin Theodelinde zu Zeiten des Papstes Gregor d. Gr.
nach Rom gesandte Abt Johannes an den Martyrergräbern entnommen hatte.
Das waren im Wesen die litterarischen Quellen, welche de Rossi hin-
sichtlich der Topographie der Katakomben leiten konnten. Bei seinen Arbeiten
erfreute er sich der Unterstützung seines Bruders Michele Stefano de Rossi,
welchem wir hauptsächlich die topographischen Aufnahmen von S. Callisto
verdanken, sowie derjenigen seiner Schüler Gatti, Stevenson, Marucchi,
Armellini, während Raffaele Garrucci1, freilich von vielfach ver-
schiedenen Gesichtspunkten aus und mit keineswegs sicherer Kritik, wenn
auch mit ausgebreiteter Gelehrsamkeit diese Katakombenforschung unter-
stützte. Die Resultate derselben wurden, wie bemerkt, in Frankreich durch
Desbassayns de Richemont und Allard, in England durch Northcote
und Brownlow, in Deutschland durch den Verfasser dieses Buches dem
Publicum vorgelegtz, während in Frankreich Roller, bei uns Victor
Schultze 3 wesentlich abweichende Darstellungen des Gegenstandes lieferten.
Betrachten wir zunächst die Bauart der römischen Katakomben. Die- Bauart
selben bestehen aus über fünfzig unterirdischen Grabanlagen, welche nicht,
wie man früher vielfach annahm, sich unter der Stadt herziehen, sondern
1 GARRUCGI, S. J., Vetri ornati di figure
in oro, trovati nei cilniteri dei cristiani primitivi
di Roma, Roma 1858; 21864; Cimitero degli
antichiEbrei in vigna Randanini. Roma 1862;
Storia delY arte cristiana. 6 voll. Prato
1873-1880; u. a.
2 DESBASSAYNS 1m RIGHEMONT Les nou-
velles ätudes sur les catacombes rom. Par.
Kraus, Geschichte der christl. Kunst. T.
1870. SPENCER Nomncown and BnownLow
Romasott. ßLond. 1879. F. X. KRAUS Roma
sott. DierömKatakornben. Freib. 1873; 21879.
3 RQLLER Les catacombes de Rome. 2 vols.
Par. 1881. VICT. SCHULTZE Areh. Studien
über altchristl. Monumente. Wien 1880; Die
Katakomben. Lpz. 1882. Archäologie der
altchristl. Kunst. München 1895.
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