byzantinische Kunst.
durch das historisch-dogmatische bedingt hat. Es liegt nicht der mindeste
Grund vor, diesen Wandel als etwas dem Byzantinismus ausschliesslich
Charakteristisches hinzustellen. Damit zerfällt die Berechtigung des zweiten,
aus dieser falschen Prämisse hergeleiteten Satzes.
Niemand leugnet, dass in der zweiten Hauptstadt des Reiches sich seit
Constantin, noch mehr seit Theodosius eine Kunst entwickelt hat, Welche
ebenso wie diejenige Ravennzis, Syriens, Alexandriens oder Nordafricas und
Südgalliens ihre provinciale oder locale Färbung hatte, und es wird auch
nicht zu bestreiten sein, dass diese locale Schule eine der Bedeutung Con-
stantinopels entsprechende Einwirkung auf die zunächst von dem byzantini-
schen Patriarchat abhängigen Gebiete ausgeübt hat. Die Behauptung aber,
dass diese Schule oder Richtung aus dem Rahmen der den ganzen römischen
Erdkreis beherrschenden altchristlichen (hellenistisch-römischen) Kunst l1eraus-
getreten sei, könnte nur aufrecht erhalten werden, wenn ein dreifacher Nach-
weis geliefert würde.
Es müsste erstens gezeigt werden, dass die in Oonstantinopel zur Ver-
wendung kommenden Bauformen wesentlich von denen des Abendlandes ab-
weichen.
Strzygowski führt als Eigenthümlichkeiten des Ostens die Anordnung des
Narthex vor dem Naos, von Emporen über den Seitenschiifen, von zwei kleineren
Apsiden zu Seiten der Hauptapsis an (S. 70). Aber er muss selbst zugeben,
dass sich heute nicht entscheiden lässt, ob diese Particularitäten auf Syrien
oder Constantinopel zurückzuführen sind. Dass sie dem Osten nicht allein
eignen, haben wir oben gezeigt. Aber selbst wenn sie sich in diesem allein
fanden, so wäre mit diesen Details, welche sich dem Grundschema der Basilika
vollkommen einfügen und unterordnen, nicht erwiesen, dass Constantinopel,
wo im Gegentheil das specifisch römische Basilikenschema im 4. Jahrhundert
vertreten war (s. oben S. 340), einen eigenthümlichen kirchlichen Baustil auf-
gebracht hätte. Es hat im 6. Jahrhundert die Verbindung des Lang- und
Centralbaues mit höchstem Erfolge cultivirt, aber es hat damit nichts ge-
schaffen, was aus dem Rahmen der christlichen Antike heraustrat. ,Die Ent-
wicklung des Oentralbauesf, meint Strzygowski, ,spielt sich, wie es scheint,
ganz im Osten ab." Dabei vergisst er, dass die von Constantin in Oonstanti-
nopel und im Osten hervorgerufenen Centralbauten nicht mehr bestehen und
uns also keine Kriterien zu ihrer Beurteilung liefern können, während sich
im Westen in S. Costanza, S. Stefano in Rom und in S. Lorenzo in Mailand
Centralbauten ersten Ranges erhalten haben, die doch bei der Entwicklungs-
geschichte dieser Bauform auch ein Wlort mitzureden haben.
Es müsste zweitens, um unsere Ansicht von dem Verhaltniss der Kunst
Constantinopels zu der altchristlich-römischen zu widerlegen, der Erweis ge-
bracht werden, dass erstere der christlichen Ikonographie einen Vorrath neuer
Sujets und neuer Typen zugebracht hätte, und zwar in der Zeit zwischen
Oonstantin und Justinian; denn um die Vermehrung der Kunstvorstellungen,
Sujets und Typen des spätem Mittelalters handelt es sich hier nicht.
Dieser Erweis ist aber bisher nicht erbracht worden, ja es hat noch
Niemand einen ernstlichen Versuch gemacht, ihn anzutreten. Der christliche
Bilderkreis hat seit Oonstantin, wie wir gesehen haben, nicht bloss eine Um-
Wandlung im historischen Sinn, sondern auch eine sehr beträchtliche Erweite-
rung erfahren. Die Quellen, aus denen wir diese Erweiterung beurteilen
können, sind die uns theils monumental theils in litterarischer Ueberlieferung
esst