Buch.
Neuntes
vs Labarte hatte, Wesentlich auf die gemalten Handschriften der Pariser
Nationalbibliothek gestützt und in die Fussstapfen d'Agincourts tretend, für
die byzantinische Miniatur fünf Perioden aufgestellt: die erste ging von Con-
stantin bis auf Leo den Isaurier (717), die zweite von da bis auf Michael III
(842), die dritte bis auf Basilius II (976), die vierte bis zum Ende des 12. Jahr-
hunderts und die fünfte bis zum Untergang des Reiches. Der ersten Periode
schreibt er Bewahrung der antiken Traditionen in Form und Geschmack, Frei-
heit der Composition, Correctheit der Zeichnung, Ausdruck in den Gesichts-
zügen, sorgfältige Beobachtung der Typen, Adel der Haltung und Gebärden,
Delicatesse in den Bewegungen der Körper u. s. f. zu. Die zweite Periode
soll sich durch einen neuen, die decorativen Formen mit den Ueberlieferungen
der Antike verschmelzenden Zug auszeichnen. Diese ganze Zeit des Bilder-
streits beurteilt Labarte übrigens nach einem einzigen, dem 8. Jahrhundert
zugeschriebenen Manuscript. Seit dem 10. Jahrhundert, meint er, nehme die
Phantasie überhand und stelle sich dadurch eine Ueberschwänglichkeit in der
Ornamentation ein; dabei übersieht er, dass der Reichthum ornamentaler Aus-
stattung der Handschriften in Byzanz schon im 9. Jahrhundert Platz greift.
Zudem fallen die von Labarte hier angezogenen Manuscripte nicht ins 10.,
sondern ins 11. Jahrhundert. In der vierten Periode (11. und 12. Jahrhundert)
sieht Labarte den Anfang des Verfalles, Wofür er die berühmte Handschrift
des vaticanischen Menologiums und die der Homilien Jakobs (Vatic. Nr. 1162)
citirt. Mit Montfaucon und d'Agincourt setzt er den Cosmas des Vatican
ins 9. Jahrhundert, erachtet aber seine Bilder als Copien eines ältern Werkes
des 6. Jahrhunderts. Kondakoff erklärt sie im Gegentheil für die besten
Originalien, die wir überhaupt besitzen, und für die zuverlässigsten Zeugen
des ,strengen Stils". Er sieht in der Wiener Genesis, die er als nächste Ver-
wandte der Mosaiken in S. Maria Maggiore betrachtet, das älteste Denkmal
der byzantinischen Schule. Neben den antiken Reminiscenzen findet er hier
Zeugen eines neuen Lebens, Bilder von frischester Wirkung, von wahrhaft
epischem Charakter, deren Ausgangspunkt in der im 4. und 5. Jahrhundert sich
entwickelnden griechischen Roman- und Novellenlitteratur zu suchen sei. Hin-
sichtlich des Sujets macht er darauf aufmerksam, dass die Miniaturmalerei
sich langsamer als die Mosaikmalerei entwickelt und länger bei dem Her-
gebrachten beharrt. In der Topographie des Cosmas Indicopleustes findet er
die Lieblingsthese der alexandrinischen Theologie wieder, den Parallelismus
des Alten und des Neuen Testamentes. Hier herrscht, meint er, dieselbe
Tendenz, das ikonographische Element auf das dogmatische Gebiet überzu-
spielen, wie in den Mosaiken von S. Vitale, während die ältesten Mosaiken
R-avennas aus dem 5. und dem Anfang des 6. Jahrhunderts ihre Erklärung
nur zum Theil in dem Evangeliarium von Rossano und dem des Rabulas finden.
Die prophetischen Bücher und die Legenden, wie diejenige Jobs (mit Aus-
nahme der Patmoshandschrift) sind nicht zur Aufnahme von Miniaturen be-
stimmt worden; erst seit dem 10. Jahrhundert bieten einige Prachtcodices
dieser Gattung Fragmente monumentaler Ornamentation. Seit dem 9. Jahr-
hundert gelangt das Psalterium zu ganz besonderer Bedeutung; dank den zahl-
losen Reproductionen wird es immer populärer und seine Illustration ver-
drängt im Orient wie im Occident fast alle anderen Versuche 1. Die Zeiten
1 Für diese Erscheinungen gibt Komm-
KOFF (l. c. I 60) keine Erklärung. Sie liegt
der von uns hervorge-
welche bestimmte Bücher
aber zweifellos in
hobenen Bedeutung,