byzantinische
m
Rumohr durchaus nicht, wie man mehrfach angegeben hat, der Urheber jener
geringschätzigen Beurteilung der byzantinischen Kunst ist, die lange Zeit um-
ging und in Deutschland die herrschende war. Er erklärte es für ,irrig, die
Byzantiner des höhern Mittelalters nach jenen rohen, mit geistloser Fertig-
keit behandelten Andachtsbildern neuerer Jahrhunderte zu beurteilen, welche
in Russland oder im türkischen Reiche noch täglich in grosser Menge an-
gefertigt werden' 1. Den Unterschied zwischen griechischer und abendländischer
Kunstübung glaubte auch er im wesentlichen ganz richtig nicht in der
Verwendung bestimmter Typen, sondern in der Manier erkennen zu müssen,
in welcher überlieferte Vorstellungen von den Griechen einerseits, von den
Italienern und überhaupt von den Künstlern des Westens andererseits auf-
gefasst oder behandelt wurden 2.
Schnaase verdanken wir eine viel bewunderte Charakteristik byzantinischer
Culturzustande 3, die nur den Fehler hat, auf einer gänzlich unzulänglichen
Kenntniss der griechischen Litteratur des Mittelalters aufgebaut zu sein. Mit
seiner Auffassung begegnet sich im allgemeinen Kugler 4. Bei Beiden ist das
Gebiet des ,Byzantinismus' der altchristlichen wie auch der syrischen Kunst
gegenüber ganz gewiss nur mangelhaft abgegrenzt.
Auf dieses Stadium folgte eine Reaction zu Gunsten der byzantinischen
Kunst, Welche gegenwärtig noch andauert. Sie ging zunächst von einem
eingehendern und liebevollern Studium der byzantinischen Denkmäler aus, wie
es neben andern russischen Gelehrten vor allem N. Kondakoff einleitete ihm
Sein Hauptwerk beschränkte sich allerdings auf die Untersuchung der Buch-
malerei; aber er suchte gerade an den Miniaturen eine ganz neue Ansicht
über den Entwicklungsgang der byzantinischen Kunst zu begründen. Er
zeigte zunächst, dass die Miniaturmalerei alle Phasen der byzantinischen Kunst
begleitet und nach Ablauf der primitiven Periode Jahrhundert) sich
unter allen Zweigen der bildenden Kunst zur ersten und massgebenden empor-
geschwungen hat. Während des Bilderstreites hatten die Künstler sich an
die Hervorbringung von Kunstwerken geringer Dimension gewöhnt; so kam
die Miniatur dazu, die bevorzugte Kunst zu werden. In die mikroskopischen
Schöpfungen derselben flüchtete sich, was von Invention und Vermögen der
Individualisirung noch da war; in ihr trat zuerst jener lyrische Zug in der
Illustration heiliger Geschichte hervor, dem ganze Kreise von Vorstellungen
und Ueberlieferungen ihre künstlerische Interpretation verdanken. Gegen
Rumohr suchte Kondakoff geltend zu machen, dass die Ausbildung der christ-
lichen Ikonographie nicht ins 4. und 5. Jahrhundert falle und von den Byzan-
tinern einfach übernommen worden sei, sondern dass die eigentlich entschei-
dende Bewegung erst mit dem zunächst in Ravenna auftretenden Byzantinismus
eintrete.
' Ital. Forschungen I 294.
2 Ebd. I 296.
3 III 2 105 f.
4 Geschichte der Malerei I 3 92 f.
5 N. KONDAKOFF Hist. de Part byzantin
Qonsidere principahnent dans les miniatures.
Ed. franq, trad. de M. TRAWINSKI. Präf.
de A. SPRINGER. 2v01s. 40. Paris 1886-1891.
KONDAKOFF und TOLSTOI Russische Alter-
thümer. S. Petersburg 1889 f. (russisch).
OUNDOLSKI Griechische Psalter von Chlou-
doff. 1866 (russisch). WINOGRADSKI Ueber
den Oktateuch des Vatican. 1868 (russisch).
BUSSLAIEW Ueber den Psalter der Bibl.
Barberini. 1874; Apereu gen. sur Piconogr.
russe. 1866 (s. Histor. Studien über alt-
russische Litteratur und Kunst, besonders über
das jüngste Gericht und die Apokalypsen).
Ausser diesen von Kommxonn (I. c.
I 57) besprochenen Arbeiten sind diejenigen
PRoKnonoFFs und Poxnowvslifs (VVandge-
mälde. Moskau 1890) zu nennen.