Neuntes
Buch.
Die
byzantinische
Kunst
DFÄVÄMPDIE Jlyzantinische Frage" liegt seit langer Zeit wie eine dunkle NVolke
über unserer Kunstwissenschaft. Sie setzt sich streng genommen aus zwei
Problemen zusammen: der Frage nach dem eigentlichen Wesen, dem innern
Werthe und der geschichtlichen Entwicklung der Kunst des oströmischen
Reiches, und der zweiten, mit der ersten enge zusammenhängenden, aber doch
von ihr durchaus verschiedenen nach dem Einflüsse, den diese Kunst auf das
Abendland ausgeübt hat. Wir versparen die Erörterung dieser zweiten lälragc
auf ein späteres Buch; hier haben wir es nur mit der ersten zu thun.
Seit Vasarfs Zeiten gehen die Urteile über Werth und Wesen der byzan-
tinischen Kunst so weit als möglich auseinander. Den Einen bietet sie nur
das Bild kläglicher Verödung und Stagnation; sie sprechen nur von der
Einförmigkeit, Greisenhaftigkeit und Morosität ihrer Typen und von der
Armut der Eründung, die einmal Festgestelltes seit Jahrhunderten gedanken-
los wiederholt. Ihnen ist das Byzanz von Justinian bis zum definitiven Stürze
von Ostrom nur ein trauriger Kirchhof, über den kein Hauch des Lebens
geht und über dem kein Licht steht als die fahle Todtenlampe eines nichts-
würdigen, in seiner eigenen Ohnmacht dahinsterbenden Despotismus. Um-
gekehrt erscheint Anderen nicht bloss die justinianische Epoche als der Höhe-
punkt der gesammten christlichen Kunst, sondern es hat sich auch ihrer
Ansicht nach im Byzantinismus das Beste und Schönste erhalten, was das
Alterthum uns an künstlerischer Leistung hinterlassen hat.
Beide Anschauungen tappen im Dunkeln, und man kann heute ruhig
sagen, dass sowol die einseitigen Verachter Wie die einseitigen Bewunderer
des Byzantinismus mit dem Bombast ihrer Phrasen nur die eigene Unwissen-
heit verdecken.
Ansichten Die wissenschaftliche Erforschung dieses Gegenstandes hatten d'A gin-
"Rumohrscourt und C. F. V. Rum ohr eingeleitet, ein Verdienst, das man den Be-
gründern der neuern Kunstgeschichte nicht absprechen kann, so unzulänglich
ihre Kenntniss des Materials und so unzutreffend ihre Ansichten im einzelnen
auch waren. Rumohr erkannte die innern Widersprüche in den Angaben des
Vasari und stimmte Lami bei, welcher bereits die Meinung des Baldinucci
bekämpft hatte, als seien alle Bilder des höhern Mittelalters griechische Arbeit
gewesen 1. Wir werden später sehen, wie er über die Einflüsse des Byzan-
tinismus im Abendlande gedacht hat. Es muss indessen betont werden, dass
Forschungen