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Erstes
achtung gewürdigt worden waren, erschienen auf einmal in einem ganz andern
Lichte. Diese Gemälde und Sculpturen, Zeugen und Schöpfungen der Trans-
formation der heidnischen Gesellschaft in eine christliche, sind aber zugleich
die Ausgangspunkte der gesammten christlichen Kunst. Wollte man den Weg
erkennen, welchen die europäische Menschheit zurücklegte, bis sie zu Raffaels
Sistina oder zu Michelangelds jüngstem Gericht vordrang, so hatte man die
Wiege dieser Kunst in den Katakomben zu erkennen und zu studiren. Ihre
Denkmäler beanspruchen ein ähnliches Interesse, wie es die frühesten Anfänge
der Organismen in der heutigen Naturwissenschaft bei allen biologischen Unter-
suchungen geniessen.
Die grossen, vom Glück wie von einer seltenen Combinationsgabe unter-
stützten Entdeckungen de Rossfs in den Katakomben Roms vollzogen sich
wesentlich zwischen 1850 und 1874. Mit ihnen veränderte sich völlig das
Bild, welches man sich bisher von der Kunst und den Zuständen der alt-
christlichen Gemeinde gemacht hatte. Jetzt erst konnte man daran denken,
das erste Kapitel einer christlichen Kunstgeschichte zu schreiben.
Wir kommen selbstverständlich auf de Rossfs grosse Arbeiten eingehender
zurück. Neben ihm, nicht immer mit ihm, wirkte lange Jahre P. Raff aele
Garrucci, dessen ,Geschichte der altchristlichen Kunst' trotz ihrer enormen
Mängel als Sammelwerk des einschlägigen Materials noch lange seinen Werth
behalten wird. Aspreno Galante erforschte nach Scherillo und Jorio die
Katakomben Neapels; in Rom sah sich de Rossi durch P. Bruzza, durch
seine Schüler Enrico Stevenson, Orazio Marucchi, Armellini,
Gatti, Lanciani unterstützt. Die Vermittlung der von ihm gewonnenen
Resultate übernahmen für England Brownlow und Northcote; für Frank-
reich Desbassayns de Richemont, Allard, Martigny; für Deutsch-
land F. X. Kraus.
Die neue Richtung sollte sich aber auch ausserhalb Italiens für den Be-
trieb der christlichen Archäologie höchst fruchtbringend erweisen. In Frank-
reich hatte schon (1855-1865) Edmond Le Blant die christlichen Inschriften
Galliens gesammelt; es folgten seine bedeutenden Publicationen über die
Sarkophage desselben Landes, Während L. Duchesne seine glänzende
kritische Begabung vorzugsweise den Primordien der Papstgeschichte und des
Christenthums in Gallien zuwandte, und Martigny (T 1880) den ersten Ver-
such einer Gesammtdarstellung der jetzt neu erforschten christlichen Antiquitäten
in lexikalischer Gestalt unternahm 1. In Spanien wurden Aurelian Guerra,
in England bezw. Irland Apell u. A. angeregt, Smith und Cheetham zur
Abfassung eines grossen ,Dicti0nary of Christian Antiquities" geführt 2. In
Belgien gingen P. Victor de Buck und Reusens auf die neue Richtung
ein; in Deutschland zunächst F. X. Kraus, dessen Beal-Encyklopädie der
christlichen Alterthümef 3 eine Reihe von Mitarbeitern zu vereinter Arbeit
zusammenschloss und der für die Rheinlande durch die Sammlung christlicher
Inschriften eine auch für die Kunstgeschichte des frühen Mittelalters wichtige
Grundlage zu schaffen bemüht war. Daneben erstand in dem Camposanto
1 MARTIGNY Dict. d. antiquitäs chrätielmnes.
Par. 1865; 21877.
2 WILL. SMITH and SAMUEL CHEETHAII
A Dictionary of Christian Antiquities. 2 vols.
Lond. 1875. Auch das ,Dictionary of Christ.
Biograph)" derselben Verfasser berührt unsern
Gegenstand.
3 F. X. KRAUS Real-Encyklopädie der
christlichen Alterthümer. 2 Bde. Freiburg
1882-1886.