Einleitungl
schen Nationalmuseum, im Kunstgewerbemuseum zu Berlin und dem Oester-
reichischen Museum zu Wien u. s. W., musste diesen Studien gleichfalls
erwünschte Förderung bringen.
Die Entwicklung der christlichen Kunst kann in ihrem geschichtlichen Bedeutung
Verlauf mit einem grossen, heiligen Strom verglichen werden, der seit den fleißig?"
Tagen Ludwigs XIV ersichtlich versiegte, dessen Lauf sich unter der Erde Archäologie
verlor. Das 18. Jahrhundert war weder mehr fähig noch werth, aus seinen dffirstjliläw
geheiligten Wassern zu trinken. Ein tiefes, geheimnissvolles Dunkel barg "eijällliiäl-te
jenem Geschlecht selbst den Ausblick auf die schönsten Landschaften, die "
dieser Strom in seinem königlichen Laufe durchschnitt. Nur wenigen bevor-
zugten Geistern war es gegönnt, auf einen Augenblick den Zipfel des Schleiers
zu heben, der die versunkene Herrlichkeit deckte: einer von diesen Glück-
lichen war der junge Goethe, als er vor dem Strassburger Münster stand.
Erst dem Forschergeist des 19. Jahrhunderts und der national-religiösen Er-
regung der deutschen Romantik gelang es, allmählich die Umrisse des Laufes
zu erkennen, die der Strom christlicher Kunst zurückgelegt hatte. Man ging
stromaufwärts. Es wurde das Zeitalter Raffaels wieder entdeckt und in sein
Recht eingesetzt; man ging weiter und stiess auf die vergessene und solange
missachtete Kunst des Mittelalters. Auch sie lag bald ausgebreitet vor den
Augen der Zeitgenossen. Aber immer noch blieben die Anfänge der christ-
liehen Kunst in tiefe Nacht gehüllt. Man wusste über das erste Jahrtausend
ihrer Geschichte wenig und das Wenige war sehr unsicher. Die Handbüßhßr
der Kunstgeschichte unterhielten ihr Publicum ohne Widerspruch von irgend
einer Seite mit den seit dem 16. Jahrhundert hergebrachten Fabeln von
dem Kunsthass der alten Christen und der das ganze Abendland bis zum
13. Jahrhundert erdrückenden Herrschaft des Byzantinismus, von dessen Wesen
und Phasen selbst man so gut wie nichts wusste.
Hier hatte die Kunstgeschichte offenbar bei der Archäologie in die Schule
zu gehen. Sie stellt den Begriff des Alterthums demjenigen der Kunst voraus.
Die Entwicklung der classischen Kunstarchäologie hatte unter den Händen
Gerhards dazu geführt, die Gesammtbetrachtung antiker Kunstvorstellungen ins
Auge zu fassen und den Ausgangspunkt dafür in der Gräberwelt und der
ganzen Fülle ihrer Ausstattung zu erblicken.
Giovanni Battista de Rossi (geb. 1822, gest. 20. Sept. 1894) warne Rossi.
es, der diesen Gesichtspunkt auf die christlichen Antiquitäten übertrug und,
genährt durch die historisch-archäologische Methode der Deutschen, empor-
gewachsen in Verbindung mit dem deutschen Archäologischen Institut, zuerst die
altchristlich-römische Welt als ein in sich abgeschlossenes Object des Wissens,
das in seiner Gesammtheit geschaut und nach allen Seiten des Lebens erforscht
sein wollte, erfasste. Die Gräberwelt wurde auch ihm Ausgangs- und Mittel-
punkt seiner Forschung. Was die Aufdeckung der durch die Eruption des
Vesuv verschütteten Städte Campaniens für die classische Archäologie, das
und noch viel mehr stellte Roms unterirdische Nekropole, die Katakomben,
für de Rossi und seine christlichen Alterthümer dar. Hier konnte und musste
auch den unbedeutendsten Erscheinungen des altchristlichen Lebens nach-
gegangen werden, um ein Gesammtbild jener Culturepoche zu gewinnen, welche
die thatsächliche Grundlage der heutigen christlichen Welt darstellt. Nichts
k0nnte in dieser Hinsicht geringfügig erscheinen. Inschriften, Münzen, Lampen,
Gläser, alles gewann ein Interesse, an das frühere Zeiten nicht gedacht hatten.
Gemälde und Sculpturen, welche bisher als Werke der Decadenz keiner Be-