Bildercyklen
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vierten,
sechsten
Jahrhunderts.
nach Rom mitgebracht hatte 1. Auch diese Mittheilungen sind von dem grössten
Werthe. Sie lehren uns, dass diese Picturae ausser den Bildnissen der hl. Jung-
frau und der Apostel die evangelische Geschichte (also das Leben Jesu), die
Visionen der Apokalypse und offenbar auch ein Weltgerichtsbild umfassten.
Alles das War auf den Wänden der von Benedict errichteten Peterskirche zu
sehen. Was hatte er aber eigentlich aus Rom mitgebracht? Niemand wird
an Tafelgemälde denken, mit denen Benedict die Wände seiner Kirchen be-
hängt hätte, noch an gewirkte Teppiche, deren er auch zwei von Beda aus-
drücklich erwähnte mitbrachte (pallia duo holoserica, p. 376) und die also von
den Pictm-ae verschieden waren. Offenbar waren die Imagines in den drei
Kirchen Benedicts in Wandmalerei ausgeführt, und der Abt hatte zu diesen
nur die Vorlagen in Rom erhalten. Beda's Text lässt die Frage offen, ob
diese Vorlagen ausschliesslich (wie die Bezeichnung Picturae vermuthen lassen
könnte) auf Pergament gemalte Bildertafeln waren, wie sie Springer als Vor-
lage des Ashburnhamschen Pentateuches zu unterstellen scheint, oder ob wir
auch an Elfenbeinplatten (die mit den Imagines gemeint sein könnten) zu
denken haben, wie diejenigen, Welche das Dittochaeum beschrieb und welche
allem Anschein nach dem Cambridger Codex zur Vorlage dienten.
Ich bin geneigt, auch letzteres anzunehmen. Der enge Zusammenhang
zwischen der Elfenbeinsculptur und der Buchillustration ist andererseits, und
zwar durch die seiner Zeit von mir zuerst hervorgehobene Uebereinstimmung
der Illustration zu Ps. 26, 4-6 (David im Tempel vor dem Herrn) im
Utrechter Psalter und auf dem schönen, in classischem Stil gehaltenen Elfen-
bein zu Zürichg erwiesen. Nichts steht im Wege, anzunehmen, dass Benedict
Pergamentbilder aus Rom mitgebracht oder iigurirte Bibeln; er kann aber
auch Elfenbeintafelchen erworben haben, welche diese ,Hist0riae' boten, oder
die Pergamentmalereien können auf solche Elfenbeinsculpturen zurückzuführen
sein. Jedenfalls hatte er eine doppelte Classe von Vorlagen gewonnen: für
S. Peter ausser den Bildern der Jungfrau und der Apostel eine Illustration
des Evangeliums und der Apokalypse also eine iigurirte Bibel; und für
S. Paul ein Concordia Veteris et Novi Testamenti.
Eingehender als der Raum zu gestatten schien, sind hier die Beziehungen rasant-i-
zwischen Rom und Jarrow im 7. Jahrhundert behandelt worden. Aber die Bbäjgßfäfssg
hier geschilderten Vorgänge sind für die christliche Kunstgeschichte von ausser- über die,
ordentlicher Bedeutung: sie werfen ein helles Licht auf die Entstehung und
Entwicklung der nordischen Kunst und deren Abhängigkeit von der römischen
Tradition. Diese Vorgänge haben sich auf vielen anderen Punkten der Christen-
heit und noch manche Jahrhunderte hindurch gewiss wiederholt. Sie er-
klären den Charakter der karolingisch-ottonischen Kunst. Es muss einem
spätern Abschnitt überlassen bleiben, auf diese und ihr Verhältniss zu der
1 BEDA VENERABILIS l. o. p. 368: ,Quin-
tum, picturas imaginum sanctarum, quas ad
ornandunl ecclesiam b. Petri Apostoli, quam
construxerat, detulit; inuaginem videlicet
b. Dei genetrieis semperque Virginis Mariae,
simul et duodecim Apostolorunl, quibus me-
diam eiusdem ecelesiae testudinem, ducto a
pariete ad parietem tabulato, praecingeret;
imagines evangelicae historiae, quibus austra-
lem ecclesiae parietem decoraret; imagines
visionum Apocalypsis b. Iohannis, quibus
septentrionaleln aeque parietem ornaret, qua-
tenus intrantes ecclesiam omnes, etiam litte-
rarum ignari, (luaqua versum intenderent vel
semper amabilem Christi sanctorumque eins,
quamvis in imagine, contemplarentur aspcc-
tum, vel Dominicae iucarnationis gratiam
vigilantiorc mente recolerent vel extremi
discrimen examinis quasi cßoram oculis ha-
bentes, districtius se ipsi examinare memi-
nissentf
2 Vgl. dazu m: Rossl Bull. 1882, p.