Sechstes
zu. So erscheint ihm speciell der Melchisedech 1 als ein trockener byzantinischer
Typ. ,Die Structur des ganzen Körpers ist mager, das Oval des Antlitzes geht
in ein Dreieck über, die Augen sind klein, der Bart kurz, hervorstehend, die
Lippen dünn, mit einem Schnurrbart besetzt: kurz, die ganze Figur ist zu
wahr und nach dem Leben gezeichnet, sie gleicht dem J ustinian in dem Mosaik
von S. Vitale. Aber abgesehen von dieser Figur, haben die übrigen einen
Ausdruck antiker Ruhe' (I 139). Das dramatische Element tritt nur in zwei
oder drei von der altchristlichen Kunst abhängigen Miniaturen hervor (I 140).
Im übrigen hat die ganze Malerei einen monumentalen Anstrich Perate
(p. 282) glaubt betonen zu müssen, wie diese Miniaturen besser als eine
andere Schöpfung der frühbyzantinischen Kunst den engsten Anschluss an
die reinsten Traditionen des Alterthums aufweisen; so die Patriarchen, Abel,
unter den Zügen des guten Hirten, Henoch, von dem sich der Tod ab-
wendet; Noe, Melchisedech Isaak in seiner Jugendblüte, Jakob und Judas;
auch die Propheten Hoseas, Zacharias, Jeremias und Ezechiel scheinen ihm
ganz von der classischen Kunst inspirirt. Dagegen erinnern ihn einige der
grösseren Miniaturen, wie das Opfer Abrahams, Daniel, Jonas, die Himmel-
fahrt des Elias, an die Katakombenbilder und die Reliefs der Sarkophage.
Neben diesen ,römischen' Miniaturen findet er andere ganz ,byzantinisch':
so die Weihe des Isaias mit dem segnenden Christus und den wol den Mo-
saiken der Hagia Sophia entlehnten Seraphim, die Vision des Ezechiel,
die feierlich gehaltenen Bilder Christi, der heiligen Jungfrau, des Zacharias
und der Elisabeth bei Johannes dem Täufer, der seltsamerweise sozusagen
die Stelle des Erlösers einnimmt. Auch die beiden hier zum erstenmal auf-
tretenden Compositionen der Steinigung des hl. Stephanus und der Bekehrung
Pauli findet Perate ,in classischem Geschmacki
Ich bin auch hier Weder mit KondakoE noch mit Perate ganz einer An-
sicht. Mir scheint, dass die Gesammtauffassung und die Behandlung im ein-
zelnen, dass Typen und Formen im allgemeinen bei Cosmas sich sehr weit
von den römischen entfernen. Es liegt auf der Hand, dass er sich in der
Wahl seiner Sujets durch keine Ueberlieferung gebunden erachtet. Es herrscht
ein fremdes, entschieden orientalisches Element. Kondakoff nennt es byzan-
tinisch; man sieht nicht, mit welchem Recht, da die Handschrift seinem
eigenen Zugeständniss zufolge aller Wahrscheinlichkeit nach in Alexandrien
geschrieben bezw. ausgemalt worden ist. Die allgemeine Uebereinstimmung
in der Darstellung der Seraphim lässt die vorgebliche Entlehnung der Engel
aus der Hagia Sophia als ganz willkürlich erscheinen. Die Typen der Köpfe
sind bei Cosmas altlich, bartig, der Christustyp ebenso; er hat noch nicht
das Morose der byzantinischen Kunst, aber doch etwas Müdes. Den speci-
fischen Byzantinismus des Melchisedech kann ich nicht anerkennen. Aber,
wie gesagt, der Gesammtcharakter des Werkes ist nicht römisch, sondern
orientalisch mit einem hier und da barbarischen Anflug. Um so merkwürdiger
ist das Anlehen, welches der Künstler gelegentlich bei der altchristlichen
Kunst in den erwähnten Sujets macht. Aber auch hier ist sein Verfahren
durchaus subjectiv. Er entnimmt der Kunst des 4. Jahrhunderts sein Opfer
Abrahams, seinen Jonas, Daniel, seinen Elias; er ahmt die Composition
und die Gruppirung treu nach, aber er schildert die Gestalten in den
ihm bereits geläufigen Typen, gibt ihnen das ihm bekannte Costüm, kurz er
GARRUCOI tav.