Sechstes Buch.
Aelteste
figurirte
Bi b el
komben entgegentritt; die Caesarenbilder erinnern durchaus an die Consulardar-
Stellungen der Diptychen. Daneben offenbart sich der unruhig tastende, Neues
suchende Sinn des 4. Jahrhunderts, der, mit den ererbten Formen nicht zu-
frieden, neue Constructionsglieder erfindet und in unreifem Wirrwarr Giebel
und Säulen, Architrave und Lünetten durcheinanderwirft. Auch die Orna-
mentik hat einen gewissen bunten, zügellosen Charakter, der sich nun mehr
oder weniger erhält und z. B. in der syrischen Rabulasbibel geradeso wieder-
kehrt. Strzygowski macht (S. 105) auf ein anderes Element aufmerksam,
Welches hier vor allem zur Geltung gelangt: das ist, wie er es nennt, der
allegorisirende, subjective Geist des Byzantinismus, welcher
mit der Gründung des neuen Roms in die Cultur eintritt und der hier aus
den Köpfen der Gestalten, aus den Augen, aus allen Anspielungen heraus-
blickt. Dazu ist nun freilich eine einschränkende Bemerkung zu machen.
Die Neigung zur Personiiication von Städten, Ländern, Monats- und Jahres-
zeiten u. s. f. war seit Anfang der Kaiserzeit schon in Dichtung und Kunst
Roms vollkommen eingebürgert; um ihr Auftreten hier zu erklären, hat man
nicht nöthig, nach Constantinopel zu gehen. Was den Einzug des allegorischen
Elementes in die Kunst angeht, so war er durch das Christenthum und dessen
Herkunft aus dem Orient gegeben. Es wurde durch die von Alexandria aus-
gehende Auslegung der Heiligen Schrift, wie wir schon oben gezeigt (S. 77),
in hohem Grade gefördert, und die Ausbreitung der alexandrinischen Schrift-
erklärung im Occident musste dem Allegorismus eine ausserordentliche Herr-
schaft in Litteratur, Poesie und Kunst verschaffen. Dem enormen Einflusse
Alexandriens ist aber jetzt eine neue Erscheinung zuzuschreiben. Seit die
abendländische Kirche in Nicäa (325) einen intimern Contact mit der morgen-
ländischen gewonnen, seit dieser Contact durch die das ganze 4. und 5. Jahr-
hundert anfüllenden dogmatischen Streitigkeiten und conciliarischen Verhand-
lungen (die alle in der Osthälfte des Reiches vor sich gingen) nun noch täglich
gestärkt wurde und bald in freundlichem, bald in feindlichem Sinne an In-
tensität zugenommen hatte, war die lateinische Kirche erst recht mit der wissen-
schaftlichen Theologie der Alexandriner in Berührung gekommen. Diese Theo-
logie, von Origenes begründet, durch Athanasius und Cyrillus ausgebaut, hat
das gesammte geistige Leben der alten Kirche beherrscht. Erst Hieronymus
und Augustin gaben im Grunde dem Abendland eine eigene Wissenschaft; aber
man weiss, wie sehr auch diese, namentlich die Thätigkeit des grossen Exe-
geten, durch die alexandrinische Schule bedingt war. Alexandrien war in jenen
Jahrhunderten die geistige Hauptstadt der Welt; das galt im Gebiet des pro-
fanen, das galt noch mehr in dem des kirchlich-Wissenschaftlichen Lebens. Damit
ist auch das stärkere Hervortreten des griechischen Elementes in der Kunst
des 4. und 5. Jahrhunderts gegeben. Man übernahm nicht tausenderlei Schätze
aus dem Orient, man bezog nicht Bibeln und andere Bücher aus Alexandrien,
ohne auch von den diesen Büchern beigegebenen Illustrationen berührt zu werden.
Das wird gleich in der sogen. ersten gemalten Bilderbibel hervorgetreten sein.
De Rossi hat zuerst die Ansicht geäussert1, dass es bereits frühzeitig, im
4. Jahrhundert, eine f igurirte Bibel gegeben habe, welche den seither auf-
tretenden und gleich zu erwähnenden Illustrationen der Heiligen Schrift als
1 DE ROSSI Bull. 1882, p. 149 sg.; Mu-
saici Lf. 24 (zu S. Maria Maggiore), p. 7.
Vgl. dazu PIPER in den ,The01. Studien und
Kritikelf 1868, S. 477 f., und die unten an-
zuführenden Publicationen v. Gmßmuznws und
A. SPRINGERS.