Volltext: Die hellenistisch-römische Kunst der alten Christen, die byzantinische Kunst, Anfänge der Kunst bei den Völkern des Nordens (Bd. 1)

Sechstes Buch. 
muss als ganz unwissenschaftlich zurückgewiesen werden. Mit dieser Be- 
Zeichnung wird hier ein Unfug getrieben, der in keiner andern Disciplin ge- 
litten würde. 
Die Förderung, welche die bildenden Künste am kaiserlichen Hofe zwischen 
334-375 fanden, die Ansammlung zahlreicher antiker Werke in Constan- 
tinopel sind gewiss Momente, Welche nicht übersehen werden dürfen. Sie 
reichen gleichwol nicht aus, um die constantinische Renaissance, die bis in 
die Tage Galla Placidias nachwirkt, zu erklären. Directe Beziehungen ra- 
vennatischer Kunst mit Byzanz lassen sich, wie wir gesehen, nur für die 
zwei Oeremonialbilder in S. Vitale annehmen, und gerade hier vermisst man 
alle Vorzüge antiker Einwirkung. Die Götter Griechenlands haben nicht 
mitgewirkt, als Iulianus Argentarius und Bischof Maximianus diese unerfreu- 
lichen Werke geistiger Erstarrung schufen; und andererseits erfahren wir wol, 
dass Theoderich sich Mosaicisten aus Rom verschrieb, nicht aber, dass man 
deren aus Constantinopel kommen liess. Dagegen wird man einräumen dürfen, 
dass in diesem letzten Sprössling, welchen die altchristliche l1ellenistisch- 
römische Kunst hervorgetrieben hat, das griechisch-orientalische Element 
stärker als in der Coemeteriahnalerei und der Sarkophagsculptur Roms durch- 
schlägt 1. Die in der Zeit der grossen Concilien des 4., 5. und 6. Jahrhunderts 
gemehrten Beziehungen zur Osthälfte des Reiches, der zwei Jahrhunderte 
lang alle kirchlichen und theologischen Verhältnisse beherrschende Einlluss 
 Alexandriens mögen nach dieser Richtung noch schwerer in die Wagschale ge- 
fallen sein als die politische Präponderanz Constantinopels, gegen die sich 
doch das ganze Abendland, Ravenna eingeschlossen, im ganzen sehr ab- 
lehnend verhalten hat. 
Ursachen Staatliche Kunstschulen und Akademien haben im besten Falle wol auf 
 die Erhaltung guter Traditionen und einer erprobten Technik einzuwirken 
der MqSßik-vermocht: einen wirklichen epochemachenden Aufschwung der bildenden Künste 
miläfgüjles haben sie nie und nirgends bedingt; nie haben sie dem erlöschenden künst- 
lerischen Vermögen neue Lebenskraft einzuhauchen vermocht. Mit den an- 
geführten staatlichen Veranstaltungen und der Einwirkung der Gesetze von 
337, 375 u. s. f. könnte man nicht einmal die Leistungen der römischen 
Mosaikmalerei erklären, denn sie fallen, wie die in S. Costanza, früher, als 
diese Verfügungen ihre Früchte tragen konnten. Noch weniger aber kann 
die Berufung auf solche staatliche Pflege der Kunst genügen, als es sich hier 
nicht bloss um einen einzelnen Zweig der bildenden Künste handelt. Dass 
die Architektur in der christlichen Basilika, die Soulptur in unseren Sarko- 
phagen und Elfenbeinen, die Malerei in den Mosaiken Roms und Ravenna's 
seit Constantin einen plötzlichen und grossartigen Aufschwung erleben, dass 
die in den Werken der drei Künste auftretende Frische und Lebenskraft die 
gleichzeitigen profanen bezw. heidnischen Hervorbringungen weit hinter sich 
lassen, das sind Thatsachen, denen gegenüber man mit den kleinlichen Mitteln 
rein mechanischer Erklärungsversuche nicht aufkommt. Man wird diese That- 
sachen nur daraus erklären können, dass die ersterbende Lebenskraft der 
1 Für den Zusammenhang des Orients, 
speeiell Aegyptens, mit Ravenna lässt sich 
ausser dem, was wir oben (S. 254) über die 
koptische Seulptur des 6. und 7. Jahrhunderts 
gesagt haben, auch noch die von RIEGL 
(Aegypt. Textilfunde [Wien 1889] S. xxm) 
erwähnte Thatsaehe anführen, dass in Ach- 
mim gefundene Zengdrucke mit Apostelfiguren 
ganz im ravennatischen Mosaikenstil gehalten 
sind. Nur freilich erscheint in diesen beiden 
Fällen Ravenna als der gebende, der Orient 
als der empfangende Theil.
	        
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