Sechstes Buch.
S. Cosma
e Damiano.
gezogen hat; aber ihre Ausführung ist sehr roh, die Figuren nicht bloss
massiv in ihren Verhältnissen, sondern geradezu verkrüppelt und nicht selten
difform, so dass sich der Gedanke nahelegt, es seien diese Bilder Reproduc-
tionen älterer Prototype der christlichen Kunst aus besseren Zeiten (Fig. 825).
De Rossi denkt hier an jene erste Bilderbibel, aus der, mit sehr vielen Ver-
schiedenheiten im einzelnen, die späteren Illustrationen, wie die Wiener
Genesis, die Fragmente der Cotton-Bibel, der Pentateuch des Lord Ashburn-
ham und die vaticanische Josua-Rolle geflossen sind. Wenn demgegenüber
die Scenen des Triumphbogens Elemente aufweisen, welche man ,byzan-
tinisch" zu nennen beliebtl, so reicht diese Beobachtung an sich schwer-
lich aus, die Annahme eines namhaften zeitlichen Auseinanderliegens beider
Schöpfungen zu erzwingen. Wol aber ergibt sich dieselbe aus einer weitern
Thatsaehe. Der auf den Säulen des Langhauses ruhende Architrav ist mit einem
Fries geziert, in dessen reichem Blumengewinde das Lamm Gottes ohne Nimbus
und ohne Kreuz uns entgegentritt. Erinnert man sich, dass bereits in der Apsis
von S. Pudenziana, also zu Ende des 4. oder spätestens zu Anfang des 5. J ahr-
hunderts, das Agnus Dei einen Nimbus trägt; dass auf dem gleichzeitigen
Mosaik im Eingang des Baptisteriums des Lateran das Lamm mit einem Kreuz
auf dem Haupt erscheint; dass auf einem dem 5. Jahrhundert angehörenden
Marmor, wo den Apsidalscenen ähnliche Darstellungen sich ündenz, beides,
Nimbus und Kreuz, vereinigt sind; dass auf der africanischen Silbercassette des
5. Jahrhunderts, deren Reliefs eine Zusammenfassung von Apsidalbildern zu
bieten scheinen, das Kreuz hinter dem Rücken des Lammes vorkommt: so sieht
man sich zu der Annahme gedrängt, dass das Agnus Dei von S. Maria Maggiore
einer ältern Zeit angehört. Dazu stimmt, dass die Säulen des Langhauses
hier nicht durch Arcadenbögen, Wie in dem zu Ende des 4. Jahrhunderts
unter Valentinian II und Theodosius unternommenen Bau von S. Paolo fuori le
mura, sondern durch Architrave verbunden sind, wie sie auch noch in der
constantinischen Basilika des Vaticans verwendet waren. Demgemäss hatte
schon Hübsch die Säulenstellung und die Architrave von S. Maria Maggiore
lieber auf Liberius als auf Sixtus III zurückgeführt. Es stimmt dazu die so-
wol von Crostarosa als von Stevenson u. A. bemerkte Verschiedenheit in der
Aufmauerung dieser Säulen und derjenigen des Triumphbogens. Ist letztere
zweifellos das Werk Sixtus' III, so darf man jetzt den Kern des Gebäudes
und die Incrustation seiner Langhauswände für Liberius und seine Zeit in
Anspruch nehmen 3.
Die indigene römische Kunst feiert im 6. Jahrhundert noch einen letzten
Triumph. Er ist Wesentlich coloristischer Natur. Am Triumphbogen von
S. Oosma e Damiano liess Papst Felix IV Christus als Lamm auf dem
Throne zwischen den brennenden Candelabern, vier aus den Wolken heraus-
tretenden Engeln und den evangelistischen Zeichen anbringen; darunter sah
1 Vgl. SCHNAASE a. a. O. III 2 198.
2 GARRUCCI tav. 484 14. DE Rossl Bull.
1887, p. 28. 29.
5 Damit allein fällt schon die vielfach
verbreitete Annahme, als ob die Mosaiken von
S. Maria Maggiore in Abhängigkeit von des
Prudentius ,Dittochaeum' Ständen. Dass die
Künstler unmittelbar aus der Bibel schöpften,
ist klar; die Sujets stimmen auch durchaus
nicht. Vgl. dazu jetzt E. MÜNTZ in [Seance
de PAead. des Iuscrf 1894, 7. Sept, wo
darauf aufmerksam gemacht wird, wie ge-
wisse, im 5. Jahrhundert noch verwendete
Sujets des Alten Testaments (wie Hemors
und Sichems Werbung um die Tochter Ja-
kobs; Jakobs Vorwürfe an Levi und Simeon)
später von der Darstellung ausgeschlossen
sind.