Neben dem Basilikenbau stellt die altchristliche Mosaikmalerei das Die alt-
letzte Aufflammen des antiken Kunstgenius dar. Die profane Kunst der
Römer hat seit den Zeiten Hadrians im wesentlichen nur einen bald in maleri-
rascherm bald in langsamerm Tempo sich vollziehenden Verfall zu verzeichnen.
Zu Anfang des 4. Jahrhunderts offenbart der Triumphbogen Constantins eine
abschreckende Verwilderung der Formen und tiefste Erschöpfung des künst-
lerischen Schaffungsvermögens. Wir sehen dann, wie zunächst in der christ-
lichen Seulptur des 4. Jahrhunderts sich die fast schon versiegende Quelle künst-
lerischen Gestaltungsvermögens noch einmal in reicherer Fülle ergiesst. Die
Mosaikmalerei tritt, anfangs neben der Sculptur, seit Ende des 4. Jahrhunderts
allmählich als letzter Erbe der Antike auf. Der endgiltige Sieg der Kirche
über das Heidenthum gibt dem christlichen Bewusstsein einen so frohen,
frischen Aufschwung, dass auch das alternde, in seinem Mark angefaulte
Geschlecht der Römer sich wieder künstlerisch erregt fühlt und in diesem
neuen Siegesbewusstsein eine aller Ehren werthe Nachblüte zu schaffen im
stande ist. An innerer Freiheit, Harmonie und Ursprünglichkeit dem helle-
nischen Tempel nicht vergleichbar, aber doch immerhin ein Kunstwerk von
hoher Bedeutung, und worauf es vor allem ankam, von gewaltigstei" Wirkung
auf die Zeitgenossen und auf alle kommenden Generationen, steigt die christ-
liche Basilika im Zeitalter Constantins aus dem Boden. Diese Wirkung aber
wird, abgesehen von den grossartigen und ergreifenden Raumverhältnissen,
hauptsächlich durch die Pracht des Innern erzeugt, welche auf der über-
reichen Verwendung der herrlichsten Marmore, den reiehgeschmückten casset-
tirten Decken, endlich auf der Heranziehung der musivischen Malerei beruht.
Die Technik des Mosaiks hat das Christenthum natürlich von der griechisch-
römischen Kunst geerbt; was diese in ihr leistete, zeigt uns die berühmte
sogen. Alexanderschlacht im Museo Nazionale zu Neapel. Die späteren Werke,
wie der grosse Boden im Lateranpalast mit den Gladiatorenbrustbildern kommen
diesem pompejanischen Denkmale nicht gleich, wenn sie auch, wie die Boden-
belage unserer rheinischen Römervillen (Bergheim, Fliessen, Trier, vor allem
Nennig) und die africanischen Funde, das Fortleben einer höchst achtens-
werthen Fertigkeit und eines in dem Ornament verhältnissmässig sehr reinen
Geschmacks darthun. Aber künstlerischen Aufgaben höheren Stiles hat die
Mosaikmalerei erst wieder im Dienste des Christenthums sich unterzogen.
Ihrer technischen Seite nach ist dieselbe freilich anscheinend mehr Handwerk
als Kunst: nicht die Hand des inspirirten Künstlers schafft das Gemälde,
sondern er setzt sich dieses zusammen aus zahllosen nebeneinander in den
feuchten Bewurf oder Beton gereihten Stückchen farbigen Marmors oder ge-
färbter bezw. vergoldeter Pasten. Aber der Handwerker arbeitet doch nur
nach dem Entwurf und unter der Leitung des Künstlers, und so erhebt sich
die musivische Malerei zu einem Kunstzweige, der von handwerksmässigem
Betrieb weit weniger an sich trägt als die Wandmalereien der ausgehenden
Kaiserzeit und diejenigen der Katakomben der letzten Jahrhunderte.
Viel später erst als die Alterthümer der Katakomben haben die Mosaiken
der römischen Kirchen die Aufmerksamkeit der Archäologen auf sich gezogen.
Erst zwei Menschenalter nach Bosio hat der ,Magister Brevium gratiae Gio-
vanni Ciampinf (1690) seine Thätigkeit den Mosaiken zugewendet. Die
Ergebnisse seiner Forschung sind in den Alexander VIII und Clemens XI