Volltext: Die hellenistisch-römische Kunst der alten Christen, die byzantinische Kunst, Anfänge der Kunst bei den Völkern des Nordens (Bd. 1)

Baukunst. 
A ltchristliche 
leitung der Taufkirchen von den kreisförmigen Piscinen der Thermalanlagen 
unterliegt keiner Schwierigkeit. Essenwein (S. 51) macht freilich dagegen 
geltend, dass es ja auch rechteckige Wasserbehälter gab und dass darum 
der Hinweis auf die antiken Nymphäen nicht genüge. Er meint, es müsse 
hier noch ein idealer Grund obgewaltet haben, und er erblickt denselben darin, 
dass laut Röm. 6, 3-4 und 1 Kor. 15, 29 bei der Taufe an das Grab Christi 
gedacht werden wäre. Das ist nicht ausgeschlossen, aber der Vortheil, welcher 
sich bei dem Ritus der Taufe aus der centralen Anlage ergibt, ist so in die 
Augen springend, dass es keiner weitern Erklärung bedarf, wenn man vor- 
zugsweise oder ausschliesslich zu dieser griff. Nur sie machte den Zugang 
zu dem Taufbecken (dem Fons baptismi, der Pisciaza) den Täuflingen wie den 
übrigen bei der Taufe betheiligten Personen  und deren waren bei den Col- 
lectivtaufen sehr viele  leicht und bequem. Auch hier hat der Gultus das 
Cultusgebäude wesentlich bestimmt. 
Aber die Adoption der Centralanlage beschränkt sich nicht auf die beiden 
angegebenen Zwecke. Wenigstens in einigen, wenn auch seltenen Fallen, 
kam sie auch für die Gemeindekirche in Anwendung, sowenig bequem sie auch 
zu diesem Zwecke erscheinen musste. Der Grund zu dieser Erscheinung 
wird darin zu suchen sein, dass die Rund- und Polygonalbauten mit ihrem 
Kuppelgewölbe eine in ästhetischer Hinsicht höchst anziehende Lösung dar- 
stellten; mit und bei ihnen waren LichteHecte und die Herstellung eines 
künstlerischen Ensembles möglich, wie keine andere Bauform sie aufwies, und 
es musste sich also bei prachtliebenden Bauherren allerdings die Versuchung 
einstellen, den Centralbau auch für die Gemeindekirche nutzbar zu machen. 
Im Verfolg dieses Bestrebens gelangte man zu einer Combination des Langhaus- 
und Kuppelbaues, wie sie sich in der byzantinischen Kunst des justinianischen 
Zeitalters darstellte. Das war das letzte Wort und die höchste Leistung der 
altchristlichen Architektur. 
In der Entwicklung, welche der Centralbau zwischen dem 4. und 6. Jahr- 
hundert genommen, bildete die Bedeckung desselben mit dem Kuppelgewölbe 
die hauptsächlichste Schwierigkeit, aber für den Techniker auch das an- 
ziehendste Problem. Bei den einfachen Rundbauten, wie S. Costanza in Rom, 
St. Georg in Thessalonich, wie S. Petronilla (ehedem beim Vatican, wol als 
Theodosisches Mausoleum gegründet), S. Andrea (ebenfalls beim Vatican, durch 
Symmachus [498-514] erbaut), war die Bedachung durch eine halbkugel- 
förmige Kuppel leicht hergestellt. Aber die reine Rotunde erwies sich bei 
dem Fehlen jeder Beziehung des gemeinsamen Raumes zum Altar und beim 
Mangel jeder festen Abgrenzung für die einzelnen Classen der Gläubigen am 
wenigsten geeignet für christliche Cultzwecke, und so ging man frühzeitig 
Zu der gegliederten Centralanlage über und ersetzte den Rundbau durch das 
Pülygon. Um eine genügende Beleuchtung herbeizuführen, wurde der Mittel- 
raum über die ein- oder zweigeschossigen Umgange erhöht. Es ergab sich 
nun aber die Schwierigkeit, die kreisförmige Grundlage der Kuppel mit dem 
Pßlygon zu verbinden, ein Problem, welches auf sehr verschiedenen Wegen 
gelöst! wurde. Die antike Architektur bot zunächst eine Lösung dieser Auf- 
gäbßin der sogen. Hangekuppel, wie sie bei dem Tempel der Minerva Medlßfl 
in Rom versucht werden war. Es bedurfte zur Ueberleitung von demTambour 
Zll der Kuppel besonderer Vorrichtungen, welche durch Ueberkragung oder 
Wölbung hergestellt wurden (der sogen. Pendentifs), ,ln der Minerva Medica 
erheben sich aus den einspringenden Ecken breite, aus fünf mit Platten durch-
	        
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