Altchristliche
Baukunst.
so stellte er noch inmitten des Tempels das Allerheiligste (äuazaarvjpzov) hin
und umgab auch dieses, um die Menge davon abzuhalten, mit einem hölzernen
Gitterwerk, das mit der höchsten künstlerischen Feinheit ausgearbeitet war
und dessen Anblick bei Jedem, der es sah, Bewunderung erregte. Auch der
Fussboden entging seiner Aufmerksamkeit nicht: er schmückte ihn auf das
herrlichste mit Marmor. Hierauf wandte sich seine Aufmerksamkeit auf das.
was ausserhalb des Tempels sich befindet. Er baute zu beiden Seiten auf das
künstlichste Anbaue und grosse Gemächer, welche an den Seiten mit der Basi-
lika (rq? ßaazlsiql) in Verbindung standen und mit den Pforten, welche mitten
in den Tempel hineinführten, zusammenhingenf Trotz der vielen und begei-
sterten Worte, welche Eusebius zum Ruhm des kaiserlichen Bauherrn dieser
Schilderung beigibt, bleibt sie unvollständig: sie lässt im unklaren, ob die
Basilika, welche jedenfalls dreischifiig war, ein Querhaus, selbst 0b sie einen
apsidalen Ausbau besass. Sepp, dessen Ausgrabungen übrigens in diesem
Punkte kein positives Ergebniss erzielten 1, nimmt letzteres nicht an 2.
Viel bedeutsamer sind die Aufschlüsse, welche uns das Innere von Syrien
seit den letzten dreissig Jahren geschenkt hat. Die von Melchior de Vogüe
in den sechziger Jahren in Centralsyrien und am Libanon entdeckten
Denkmäler des Jahrhunderts stellen geradezu ein christliches Pompeji
dar. Beim Anrücken der Sarazenen verliess hier die christliche Bevölkerung
ihre Städte und Dörfer, die, meist vortrefflich erhalten, von dem Sand der
Wüste überschüttet daliegen. Am interessantesten sind die Bauwerke in
Haüran, dem Südtheile der in Betracht kommenden Provinz (Auranitis, Batanea,
Trachonitis, Ituraea), am besten erhalten die nördliche, die Gegend von An-
tiochien, Apamea, Aleppo umfassende Gruppe.
Diese syrische Gruppe von Baudenkmälern zeigt in ihrer Gesammtheit
die nämliche Physiognomie wie die christlich-syrische Litteratur des 4. und
5. Jahrhunderts. Die heisse Sonne hat in dem wasserarmen Lande für die
Vegetation nur wenig Raum und Möglichkeit gelassen. Das landschaftliche
Element, die Poesie des Waldes fehlt dem Syrer; seine Seele wird von keiner
Neigung zum Lyrischen und Gemüthvollen bewegt; das Freilicht, in dem er
leibt und lebt, zeitigt bei aller Gluth der Phantasie in seinem Gehirn einen
entschieden empirischen und rationalistischen Zug. Diesen Charakter hat die
nüchterne und verstandesmässige Schule der antiochenischen Exegeten (Dio-
dorus, Theodorus von Mopsuestia), deren extremer Flügel mit Nestorius in den
Gegensatz gegen die allgemeine Kirche hineintrieb. Derselbe nüchterne Hang
offenbart sich in der Baukunst der Syrer; er wird ihr schon durch die Aus-
schliesslichkeit des Steinbaues aufgedrückt, wie sie sich aus dem Mangel an
Holz von selbst ergab. Aber die syrische Gruppe weist noch andere höchst
bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten auf: Erscheinungen, durch die sie sich
von den übrigen Denkmälern der altchristlichen Architektur entschieden abhebt
und die auf mehr als einem Punkte eine überraschende, völlig unerwartete
Ueberleitung zu viel später erst im Abendland auftretenden Motiven darstellen.
Das Charakteristische dieser syrischen Gruppe lasst sich in folgende
Punkte zusammenfassen.
Im allgemeinen zeichnen sich die Formen durch Massenhaftigkeit und
Derbheit, die Profile durch Stumpfheit aus: beides war durch den exclusiven
Ceutral-
syrien.
Meerfahrt nach Tyrus (Lpz. 1879)
1 SEPP
209.
2 Vgl. noch Hüßson S.
BÄDEKER a. a. O. S. 446.
Taf.
31 a_