Einleitßpgi,
Deutschland brauchte lange Zeit, ehe es in antiquarischer Hinsicht seine
westlichen Nachbarn einholte. Zwar hatte es ihm im 16. Jahrhundert an
gelehrten und vornehmen Sammlern nicht gefehlt, und Scaliger und Jan
Gruter in Heidelberg (1560-1612) hatten die Theilnahme für die Inschriften
mächtig gefördert. Aber der Dreissigjährige Krieg nahm auf lange Zeit hinaus
Musse und Mittel zur Fortsetzung dieser Studien. Erst gegen Ende des
17. Jahrhunderts (1679) erschien J. von Sandrarts (1606-1688) ,Teutsche
Akademie, dann suchten Ezech. Spanheim (1629-1710) und Lorenz
Beger (1658-1705) den kunstarchäologischen Werth der Münzen fest-
zustellen. Allmählich aber erhob sich in der deutschen Schule wieder das
eindringliche Studium der Philologie; ihr ist die Grundlage zu danken, auf
welcher sich die Wissenschaft der antiken Kunst erhob, deren gefeierter Be-
gründer Joh. Joachim Winckelmann (1717-1768) werden sollte. Be- Winckel-
günstigt durch den unermesslichen Zuwachs, welchen die Denkmälerkunde aus man
der fast gleichzeitigen Entdeckung von Herculaneum und Pompeji (seit 1748),
aus den Ausgrabungen in Sicilien, Unteritalien, Dalmatien und Griechenland
gewann, konnte Winckelmann zunächst die Kunst der Griechen als den Höhe-
punkt der Antike und als ewig giltigen Massstab jeder andern erweisen, zu-
gleich der Plastik ihre in jener dominirende Stellung geben und zuerst die
Aufeinanderfolge der Stile, d. h. der die Idee wiedergebenden Form, auf-
weisen. Damit wurde die Kunstgeschichte der Gesammtgeschichte der Mensch-
heit als ein integrirender Bestandtheil eingeordnet, der Begriff der Kunst als
ein selbständiger hingestellt und der archäologischen und culturgeschichtlichen
Detailforschung gegenüber in ihrem Rechte und ihrer bevorzugten Stellung
anerkannt 1. Den tiefen Eindruck, welchen Winckelmanns Forschungen in der
classischen Litteratur Deutschlands zurückgelassen, zeigen die kritischen Arbeiten
Lessings und die Bestrebungen Goethe's und des Weimarer Kreises, während
in Italien die Fea, Lanzi, Nibby, Guattani, Bottari und Visconti seinen Spuren
folgen. Mit dem Ende des Jahrhunderts sammeln sich auch Künstler und
Kunstfreunde in Rom (Carstens, Koch, Thorwaldsen, Wagner), die
in Verbindung mit Canova im Geiste Winckelmanns fortzuarbeiten suchen
und deren Absichten in Zoega (1755-1809) concentrirt erscheinen. Die Zoäga.
äusserste Sorgfalt der Einzelforschung, die kritische Beobachtungsgabe und
die philosophische Veranlagung dieses ausgezeichneten Mannes bilden die Ueber-
leitung zu dem kritischen Betrieb der Archäologie im 19. Jahrhundert und
haben auch speciell in Rom eine Nachwirkung hinterlassen, welche der Neu-
begründung der christlichen Archäologie zu gute kommen musste. Vorab
bewahrte die classische Archäologie noch immer die fast ausschliessliche Herr-
schaft über das Interesse des gelehrten wie des dilettirenden Publicums. Das
Bekanntwerden der ägyptischen Denkmäler, die ganz neue Offenbarung über
die wahre Blütezeit hellenischer Kunst, welche die Elgin-Marbles, seit 1806, aus
ihrer Heimat nach London übergeführt, zubrachten, endlich die für die besiegten
Nationen so beleidigende, sachlich so fördernde Ansammlung kostbarer Kunst-
1 WINCKELMANN Gedanken über die Nach-
ahmung der griechischen Kunst in der Malerei
und Bildhauerkunst. Dresd. 1755; Gesch. d.
Kunst des Alterthums. Ebd. 1764; franzüs.
1766, dazu die Anmerkungen, ebd. 1767;
Anmerkungen über die Baukunst der Alten.
Ebd. 1761; Monumenti inediti. 1767. Ge-
sammtausgabe seiner Werke (8 Bde.) Dresd.
1808-1820. 1829. 1847. Vollständig nur die
Ausg. EISELEINS (12 Bde. Donaueschingen
1825-1829) und die italienische: Opere di
G. G. Winckelmann (12 voll. u. 1 vol. tavole
in-fol. Prato 1830-1834). Vgl. jetzt O. JUSTI
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und