Erstes Buch.
Der Rückschlag zeigt sich in den archäologischen Arbeiten der Italiener des
18. Jahrhunderts, der Buonarruoti, Borgia, Paciaudi, Zaccaria,
der Muratori, Olivieri, Lupi, Frisi, Gori, Cancellieri und Alle-
granza. Montfaucon selbst hatte in seinem zweiten. archäologischen
Hauptwerkl ein Material zusammengebracht, welches W01 geeignet erscheinen
konnte, auf den Weg kunsthistorischer Betrachtung zu leiten.
Noch weniger als im Süden hat die christliche Alterthumskunde im Norden
Europas im 16., 17. und 18. Jahrhundert der Kunstgeschichte gedient. Zwar
hatten unter den ältern Calvinisten sich Dalläus, Morini und S panheim
in polemischer Absicht mit den Bildern befasst 2, wie Molanus katl1olischer-
seits 3. Aber im allgemeinen sah die protestantische Behandlung der christ-
lichen Antiquitäten von Joseph Bingham herab bis auf die Augusti,
Rheinwaldt, Wilh. Böhmer4 von der monumentalen Seite des Gegen-
standes ganz oder fast gänzlich ab, und es kann ihr der Vorwurf nicht er-
spart werden, aus confessioneller Befangenheit selbst das geflissentlich ignorirt
zu haben, was unter den Händen Bosio's und seiner Nachfolger an positivem
Gewinn erwachsen war. Es schien, als ob diese gesammte Litteratur für die
cisalpinische Betrachtung nicht existirte. War diese Art, die christlichen
Alterthümer zu behandeln, einmal eingeführt, so kann es nicht verwundern,
dass sonst wohlgemeinte Darstellungen auch aus katholischer Feder die christ-
liche Kunstgeschichte von der Archäologie mehr oder Weniger ausschlossen 5.
auggiline Auf diesem Wege konnte die Einsicht und die Entwicklung der christ-
Kunst- liehen Kunst nicht vorwärts kommen: Was ihr zum Leben verhalf, war einmal
die Ausbildung einer allgemeinen Kunstgeschichte, dann diejenige der clas-
Einfluss musischen Kunstarchäologie; bei beiden musste Derjenige zur Schule gehen, welcher
3113512112; den Lebensprocess der christlichen Kunst wissenschaftlich verstehen und dar-
christlichen stellen wollte.
Italien, und hier vorab Florenz, hat wie an der modernen Kunstübung,
so auch an den frühesten Erörterungen über Theorie und Praxis derselben
den massgebendsten Antheil. Cennino Cennini hat um 1398 zuerst ein
Receptenbuch für Modelliren, Giessen u. s. f. gegeben und dabei das Studium
der Natur als ,das beste Steuer, als die Triumphpforte des Zeichners" er-
klärt 6. Die Poggio in St. Gallen geglückte Auffindung des Vitruy und die des
Frontinus musste die grösste Aufregung unter den Kunstbeflissenen hervor-
1 BERN. DE MONTFAUCON Les monuments
de 1a monarehie franeaise. 5 vols. Par. 1729
bis 1736.
2 Isn). SPANHEMII Historia. imaginum etc.
Lugd. Bat. 1686. STEPH. Monnu Disser-
tat. octo, in quibus multa sacrae et profanae
antiq. monumenta explicantur. Genev. 1683.
Jon. DALLAEUS De cultibus relig. La-
tinorum libri IX. Genev. 1671.
3 MOLANUS De historia ss. imaginum et
pioturarum; I0. NAT. PAQUOT recens. Lov.
1721.
4 BINGIIAM Origins Eccl. or The Antiqui-
ties of Christian Church. Lond. 1708-22;
neue Ausg. Oxf. 1870. In Deutschland ge-
wöhnlich nach der latein. Uebersetzung des
GRISGHOV (10 Bde. Halle 1725 u. 1729) citirt.
AUGUSTI (1- 1841) Denkwürdigkeiten aus
der christl. Archäologie. 12 Bde. Lpz. 1817
bis 1831; ders. Handb. d. christl. Archäo-
logie. 3 Bde. Lpz. 1836. RBEINWALDT
Die kirchliche Archäologie. Berl. 1830.
W. BÖHMER Die christl. kirchl. Alterthums-
Wissenschaft. 2Bde. Bresl. ISSÜ-GUERICKE
Lehrb. d. christl. kirchl. Archäologie. Berl.
1847; 21859. Etwas mehr hat Scnomm: (Ge-
schichtsforschungen über die kirchlichen Go-
bräuche und Einrichtungen) die Monumente
berücksichtigt.
5 BINTERIM Vorzüg]. Denkwürdigkeiten
der christkath. Kirche. Mainz. 1829-41.
F. H. KRÜLL Christl. Alterthimiskunde. 2Bde.
Regensb. 1856.
s CENNINI Libro delfarte. Ed. TAMBRONI
1821; ed. MILANESI Fir. 1859. Deutsch von
Im, Wien 1871 (Quellenschr. Bd. I).