Einleitflngi
zu würdigen. Aber auch die glänzendsten Tage des Humanismus haben daran
wenig geändert. Erasmus weilte in den Tagen Julius' II in Rom und ver-
kehrte im Vatican; gleichwol verrathen seine Briefe nirgends davon, dass
ihm die Thätigkeit Michelangelds und Raifaels einige Theilnahme abgelockt
hatte. Luther verliess Rom, ohne auch nur oberflächlich von der Herrlich-
keit jener Kunstepoche berührt werden zu sein.
Das Auftreten der Reformatoren musste nach mehr als einer Seite die
Kunstwelt berühren: einmal praktisch, insofern es jenen Bildersturm hervor-
rief, welchem unzählige Kunstwerke Deutschlands, der Schweiz und der Nieder-
lande zum Opfer fielen und gegen dessen Ausschreitungen Luther selbst Protest
einlegte; dann durch die theoretischen und historischen Aufstellungen betrßffS
der Bilder, ihres Cultes u. s. w., wie überhaupt betreffs des christlichen Alter-
thums und des Mittelalters. Was in dieser Richtung seitens der Magdeburger
Centuriatoren zum Erweise des Satzes, dass die ganze mittelalterliche Ent-
wicklung nur ein Verlassen der alten christlichen Idee und Praxis darstelle,
behauptet wurde, musste den heftigen Widerspruch der Katholiken heraus-
fordern. Die Annalen Cesare Baronio's zeigen, dass im Zusammenhang
dieser Controverse das Augenmerk sich nothwendigerweise den Denkmälern zu-
wandte, aber das Interesse war doch nur ein dogmatisch-apologetisches; anti-
quarische Tendenzen traten in den kirchlichen Kreisen erst starker auf, als
das merkwürdige Ereigniss vom 31. Mai 1578 die Entdeckung der Roma
sotterranea herbeiführte. Freilich waren es auch hier zunächst und in
erster Linie religiös-kirchliche Absichten, welche die Nachforschungen leiteten.
Aber die Bemühungen der Ciacconio, YHeureux und de Winghe
Zeugen für das sofort erwachende Interesse an den Bildwerken selbst. Mit
Antonio Bosio's Thätigkeit ward die Katakombenforschung geschaffen; sein
eminentes Talent und die unvergleichliche Hingabe an das "Werk seines Lebens
hätten der christlichen Kunstgeschichte schon damals eine gesicherte Grund-
lage schaffen können, wäre seine 1632 durch Severano veröEentlichte ,R0rna
sotterranea' nicht geschrieben worden, ehe durch die französischen Benedictiner
Principien und Methode der historischen Wissenschaft einigermassen festgestellt
waren. Bosio's Schöpfung konnte unter diesen Umständen den Einiiuss nicht
ausüben, den die Bedeutung des Gegenstandes und das Genie dieses Forschers
an sich gefordert hätten. Seine Nachfolger auf diesem Gebiete, die Bottari,
Boldetti, Marangoni, wandelten im wesentlichen mit weniger Glück auf seinen
Bahnen; die eigentlich kunstgeschichtlichen Gesichtspunkte traten hinter andern
Absichten in ihrer Forschung zurück, und so kann es nicht überraschen, dass
die im 18. Jahrhundert in Italien gegebenen Gesammtdarstellungen der christ-
lichen Archäologie von Mamachi, Selvaggio, Pelliccial trotz ein-
gehender Berücksichtigung der Denkmäler weit entfernt sind, eine Geschichte
der christlichen Kunst anzubahnen. Unterdessen hatten freilich die Arbeiten
der Mauriner in Frankreich die Quellenkenntniss ausserordentlich vermehrt,
verbesserte Einsicht in die Methode gebracht und die historischen Hülfswissen-
schaften geschaffen, ohne welche auch die Kunstgeschichte nicht bestehen kann.
1 MAMACHI Origines et antiquitates chri-
stianae. 5 voll. Romae 1749_1752; ed. alt.
Romae, 6 volL, 1841-1851. SELVAGGIO
Antiquitates et origines ecoles. Summa.
Venet. 1766; Aug. Vindel. 1767. PEL-
LICCIA De christianae Ecclesiae primae, me-
diae et novissimae aetatis Politia. 3 voll.
Neap. 1777; Vercell. 1780. 4 v01l.; edd.
RITTER. et BRAUN, 2 voll., Coloniae 1829
bis 1838.