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kehrten Aufsetzen von Capitellen, eine gewisse Vernachlässigung des plastischen
Elementes. Die römische Kunst hatte der Reihe nach alle antiken Säulen-
ordnungeu, die tuskisch-dorische, die ionische, die korinthische, in ihren Dienst
gezogen und in der Composita-Ordnung und schliesslich in dem durch Ein-
setzen von Thier- und Menschengestalten, Köpfen, Trophäen in diese aus
korinthischen und ionischen Elementen gebildete Composita erzeugten Phantasie-
capitell sich gefallen. Mit gewissen Modificationen sind alle diese Ordnungen
in die kirchliche Architektur übergegangen bezw. gelegentlich in ihr ver-
werthet worden (vgl. Fig. 222 u. 223). So fällt bei dem Fuss der Säule zu-
weilen die Basis fort (die übrigens jetzt oft unter dem später erhöhten Boden
liegt); die Schafte sind meist uncannelirt, wenn hier auch bemerkenswerthe
Ausnahmen (S. Paolo fuori le mura, S. Sabina, S. Pietro in Vincoli u. f.)
vorkommen. Dem Phantasiecapitell der ausgehenden Kaiserzeit entspricht das
Einrücken christlicher Symbole, des Monogrammes Christi, des Kreuzes, des
Namenszugs des Stifters u. s. f. in das Laubwerk oder zwischen die Voluten
des Capitells, namentlich in Syrien, wo dieses Motiv sich grosser Beliebtheit
erfreute (vgl. Fig. 224 u. 225). Seit man in Ravenna oblonge Bogenanfänge auf
die Säulen zu setzen anfing, bürgerte sich, zur Ableitung dieser Last auf die
Säulenachse. ein neues Glied, der Kämpfer, ein, welcher zwischen das Capitoll
und den Bogenansatz eingeschoben wurde (Fig. 226).
Die Verbindung von einer Stütze zur andern wurde entweder durch ge-
rades Gebälk (Architrav, Fries und Gesims, zuweilen unter Anwen-
"dung von Flachbögen zur Entlastung) hergestellt oder durch den Bogen-
sohla g von Säule zu Säule (Archivolte). In der frühern römischen Archi-
tektur hatten Säulen nur gerades Gebälk zu tragen, und die Bogen, welche
man in ihre Intercolumnien stellte, kamen auf eigene Pfeiler zu ruhen. Auf
diese Weise liefen gewissermassen zwei Constructionen nebeneinander. Es war
eine Abkürzung dieses Verfahrens, als man zum erstenmal im Peristyl des
Diocletianischen Palastes zu Spalato und an den Blendarcaden über dem Ein-
gang der Porta aurea daselbst Bogen unmittelbar auf Säulen setzte. Das
gleiche Motiv war an den 305 vollendeten Thermen des Diocletian in Rom
und am Bogen des Galerius in Saloniki verwendet. Man hat diese Neuerung-
als eine speciiische Erfindung der römischen Kunst gepriesen und den Bogen-
schlag über der Säule als die eigenste That der Römer in der Architektur
erachtet. Indessen hat jüngst R. v. Schneider nachgewiesen 1, dass, wenn
auch in einer etwas andern Form, die Verwendung der Säule als Träger der
Archivolte schon viel früher in griechischen und orientalischen Gebäuden
(Wie im 1. Jahrhundert n. Chr. in Nicäa, am Praetorium der syrischen Stadt
Phaöna, in dem unter Antoninus Pius errichteten Tempel des Sonnengottes zu
Baalbek und anderwärts) auftritt. Diese neue Lösung war in der That ein
werthvolles Vermächtniss, welches die christliche Kunst von dem sinkenden
Heidenthum übernahm. Es wird für die altchristliche Basilika charakteristisch,
wenn auch in ihr der Architrav sich noch daneben erhält. Aber von der alt-
christlichen Architektur übernahmen es die Sarazenen und bald auch die natio-
nalen nordischen Stile, in denen es, in Verbindung mit dem Gewölbebau, erst
seine volle Bedeutung gewinnt. Man hat schwere theoretische Bedenken gegen
die Neuerung vorgebracht und sie mit den Gesetzen der Schönheit in Wider-
spruch gefunden (so auch noch Real-Encykl. I 124). Aber man sollte auch nicht
Kämpfer.
Architrav
und Bogen
schlag.
Kunstgeschiclmtliche
Oesterreich-Ungarn
Charakterbilder aus
45 f.