Altchristliche
Baukulgii
anbauen. Solch ein einschiffiger Bau musste für die Gemeindekirche sich sofort
als unzulänglich erweisen. Man griff daher zu der dreischiffigen Halle, die
man in der profanen Architektur und in dem Tempelbau der Griechen und
Römer langst im Gebrauch sah. Man übertrug die hier gegebenen und allen
Architekten längst geläufigen Motive und Formen ohne weiteres auf das Bet-
haus der Gemeinde, und die christliche Basilika stand sofort fertig da. Die
Gemeinschaft der Christen musste in dieser, gewissermassen plötzlich aus der
Erde gewachsenen architektonischen Schöpfung das willkommene Symbol des
Sieges über die Macht des Heidenthums erblicken.
Das ist der Weg, den das christliche Bethaus in seiner Entwicklungnypoaescn
zurückgelegt hat; das ist meines Erachtens die heute einzig zulässige Er- 2523533132;
klärung der Entstehung und des Ursprungs der christlichen Basilika. ßllrisäliv-llvn
Es ist für dieses grosse kunstgeschichtliche Factnm freilich, namentlich Ba5'hka'
seit den letzten fünfzig Jahren, eine Reihe anderer Erklärungen versucht
worden, welche hier in Kürze aufzuführen und zu charakterisiren sind.
Eine vielfach falsch verstandene Aeusserung des berühmten Theoretikers
der Renaissance, Leone Battista Alberti's (T 1472), welche sich in dessen
Schrift ,De re aedificatoria" (ed. Florent. 1465 II 10) findet, gab Anlass zu
der Vorstellung, als ob nach Albertfs Ansicht mit dem Uebertritt Oonstan-
tins zum Christenthum bisherige forensische Basiliken dem kirchlichen Gebrauch
überwiesen worden seien und die christliche Basilika demgemäss nichts anderes
sei als eine Herübernahme der antiken Basilica iudiciaria. Man glaubte sich für
diese Annahme auf Aeusserungen wie die des Ausonius berufen zu können,
welcher die Verwendung früherer forensischer Gebäude zu Cultzwecken zu be-
zeugen schien 1. Indessen sagt das der Text des Ausonius nicht, anderseits ist
kein einziges Beispiel einer Umwandlung forensischer Basiliken in kirchliche bis
jetzt nachgewiesen, und man sieht auch in der That nicht ein, weshalb der
Religionswechsel des Hofes Gerichts- und Markthallen im Reich entbehrlich hatte
machen sollen. Es ist schwer begreiflich, wie die auf Alberti zurückgeführte
Ansicht sich so lange halten und eine so grosse Verbreitung finden konnte 2. Der
erste, welcher ihr entgegentrat, war Aug. Christ. Ad. Zestermann (T 1869),
Welcher die Frage nach der Entstehung unserer christlichen Basilika zum ersten-
mal einer gründlichen Untersuchung unterzog, ihren Ursprung aus der forensis
in Abrede stellte und den Satz vertheidigte: es habe sich der christliche Geist
für die Bedürfnisse seines Cultus, der als eine neue Erscheinung in die Welt
eintrat, eine neue, entsprechende Stätte geschaffen, die man darum Basilika
nannte, weil sie durch den Porticus der Seitenraume und durch den über dic-
1 AUSON. Gratiaruln actio pro consulatu
ad imperator. Gratianum p. 190, 5 3 (ed.
VALPY n. 419): ,Basilica olim negotiis plena
nunc votis pro tua salute susceptisf
Vgl. dazu ZESTERMANN Die antiken und die
christlichen Basiliken (40. Lpz. 1847) S. 158.
2 So bei PALLADIO (I quattro libri di
archit. Ven. 1570), P0111). SARNELLI (Antica
basilicografia. Nap. 1686), CIAMPINI (Vct.
mon. Romae 1690; De aedif. etc. lbid. 1693),
SIGKLER (Entstehung der christlichen Kunst
u. s. w. [Almanach aus Rom Bd. I. Lpz.
1810]), Büscnma (Anfänge der christlichen
Kunst d. Mittelalters [Kunstb]. 1824, Nr.
Hmr (Gesch. der Baukunst bei den Alten. Berl.
1821), 0101110011111! (Ar-eh), PLATNER und
BUNSEN (Beschreibung der Stadt Rom. 1830 If),
AUGUSTI, FRANZ KUGLER, (Der römische Ba-
silikenbau [KunstbL 1842] ; Handbuch der
Kunstgeschichte. Stuttg. 1842, u. v. QUAST
(Die Baukunst der Alten. Berl. 1845), KINKEL
(Gesch. der christlichen Kunst. Bonn 1845),
BUNSEN (Die Basilika-n des christlichen Rom.
München 1842), CANINA (Ricerche sulParchit.
Roma 1843), VALENTINI (Le hasiliche sante
di Roma. 1845), GAILHABAUD (Denkmäler
der Baukunst. Deutsche Ausg. 1844) , Hor-
STADT (Goth. ABC. Frankf. 1845).