Volltext: Die hellenistisch-römische Kunst der alten Christen, die byzantinische Kunst, Anfänge der Kunst bei den Völkern des Nordens (Bd. 1)

Fünftes 
Privatsäle. 
Verfasser des Dialoges Philopatris beschreibt das Aussehen eines solchen Bet- 
saales, in welchen er sich durch Zufall verirrt hatte. Er stieg in einem ihm 
unbekannten Hause eine Treppe hinauf, und trat in ein Zimmer mit Täfel- 
werk, wie das Haus des Menelaos bei Homer. Doch habe er drinnen keine 
Helena gefunden, sondern bloss abgehärmte Gestalten, die auf den Knieen 
lagen. In solch abgelegenen oberen Wohnungsräumen wurde selbst nach 
dem Aufhören der Verfolgung noch eine Zeitlang der Gottesdienst gehalten, 
wie aus einem Decret des Concils von Gangra (328; yietatmn in privatis 
domibus mm clandevzteä) und aus einem andern des Concils von Laodicea 
(320) hervorgeht, in welch letzterm die fernere Darbringung des Opfers 
durch Bischöfe und Priester in Privathäusern für nicht mehr passend erklärt 
wird. Die zunehmende Zahl der Gläubigen musste schon früh nahegelegt 
haben, dass die Versammlungen in den grössten Sälen stattfanden, welche 
zur Verfügung gestellt" werden konnten. An die Häuser der Armen konnte 
hier nicht mehr gedacht werden; die wohlhabenden Mitglieder der Fraternitas 
werden von selbst ihre besten und grössten Räume zu Ecclesiae domesticae 
angeboten haben, denn jeder Christ musste es sich zur höchsten Ehre und Freude 
anrechnen, wenn die heiligen Geheimnisse unter seinem Dach gefeiert wurden. 
Wir wissen nun, nicht bloss aus den Ruinen Pompejfs, sondern auch aus dem 
Zeugniss der Schriftsteller1, dass die Häuser der Reichen und die Paläste 
der römischen Grossen in ihren Triclinien und Basiliken oft sehr bedeutende 
Räume boten. Vitruv hat uns eine classische Beschreibung solcher Säle 
hinterlassen, welche für unsern Gegenstand von Wichtigkeit ist. Man unter- 
schied danach korinthische und ägyptische Säle. Jene hatten einfache, d. h. 
nicht je zwei übereinandergestellte Säulen, welche entweder auf einem Sockel 
oder auf dem Boden ruhten; darüber Architrav und Sims aus Holz oder 
Stuck, und eine nach der Zirkellinie gewölbte Decke. Bei den ägyptischen 
Sälen dagegen legte man über die Säulen Architrave und von den Archi- 
traven zu den Wänden horizontale Deckbalken, über das Deckengetäfel 
aber ein zu einem Umgang unter freiem Himmel dienendes Paviment. 
,Dann', heisst es bei Vitruv weiter, ,sind auf den Architrav in senk- 
rechter Linie mit den unteren Säulen andere zu stellen, die um ein Viertel 
kleiner sind, und über den Architraven und Gebälkzierden der letzteren soll 
eine mit Lacunarien verzierte Decke, zwischen den oberen Säulen Fenster an- 
gebracht sein; so scheinen sie mit den Basiliken und nicht mit den Speise- 
sälen Aehnlichkeit zu habenf Das Charakteristische des ägyptischen Saals be- 
stand also in dem überhöhten und durch Seitenfenster beleuchteten Mittelraum. 
In der nachaugusteischen Zeit haben sich aus dieser Disposition die Kreuz- 
gewölbsäle der Thermen entwickelt. Vitruv hat an der berührten Stelle nur 
jene zwei Arten von Sälen erwähnt, nicht aber die Privatbasilika, weil er 
da nur von dem mittlern römischen Hause sprach, das ausser den Wohn- 
zimmern ein Tablinum, Speisesäle, Exedren und etwa einen Gemäldesaal nöthig 
hatte. Wo er von den Palästen der Grossen redet, heisst es, da seien hohe 
Atrien, geräumige Säulenhöfe, Gartenanlagen mit ausgedehnten Promenaden, 
Bibliotheken, Gemäldesäle und Basiliken erforderlich, weil hier sowol Staats- 
als Privatberathungen abgehalten und schiedsrichterliche Erkenntnisse gefällt 
p. 46) und in unserer Zeit auf dem Monte delia 
Giustizia, bei den Thermen des Diocletian (ibid. 
1878, p. 47 ; 1876, p. 7. 38) aufgedeckt wurden. 
1 PLIN. Hist. nat. XXXVI 4. 5.  VITRUV. 
De architectura lib. VI c. 5: De tricliniis et 
oecis et pinacothecis et eorum dimensionibus.
	        
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