Sculptur.
Altchristliche
schluss an die schöne Inschrift in Bull. 1877, p. 30) zu erblicken, will aber
Denen gegenüber, welche in den sitzenden Personen das Bild der in der Arca
beigesetzten Personen sehen, nicht auf seiner ausschliesslich allegorischen Er-
klärung bestehen. Man kann gegen letztere einwenden, dass auch auf einem
andern Sarkophag der gute Hirte mit der Orans verbunden ist, wo doch der
Letzterer beigesetzte Name IVLIANE1 nur an die Darstellung der Defuancta
denken lässt. Indessen ist mir mit Garrncci? wahrscheinlich, dass der Künstler
auch hier den Pastor bonns mit der Ecclesia darstellen wollte und später erst
der Eigenthümer des Sarges der Orans den Namen seiner Gattin beischrieb.
So haben wir bereits aus der Zeit der Verfolgung eine Anzahl hochacht-
barer Leistungen der Sarkophagsculptur vor uns. Diese Beispiele liefern den
Beweis, dass nicht principielle Abneigung gegen die Verwendung der Plastik
noch künstlerisches Unvermögen, sondern offenbar nur oder wenigstens in
erster Linie aussere Umstände die Christen in den Tagen vor Constantin ab-
gehalten haben, einen stärkern Gebrauch von der Sculptur zu machen. Ehe
wir weiter gehen und die Hauptgruppen der nachconstantinischen Sarkophage
betrachten, müssen wir noch einige Worte über die Künstler sagen, denen
wir diese Reste des Alterthums verdanken, und noch einiges über die f a rbi ge
Behandlung der Sarkophage beifügen.
Wir haben gesehen, wie eine Menge der vorchristlichen Kunst geläufiger
Decorationsmotive ohne weiteres von der christlichen übernommen wurde.
Genien, welche die Inschrift oder die Image clypeata halten; Putti in der
Weinlese; Genien im Kampfe mit den Hahnen; solche, die eine umgestürzte
Fackel halten; Amor und Psyche; die Dioskuren; Greife; Medusenköpfe und
Masken; die Personiiicationen des Himmels, der Flüsse, des Meeres, der Land-
schaften oder Städte; Pastoralscenen; Hasen, die an den Früchten fressen;
Tauben und andere Vögel: das sind die ornamentalen Motive, welche zweifellos
aus den Ateliers der heidnischen Künstler in diejenigen der christlichen über-
gingen oder welche die Künstler einfach, ihrer alten Gepflogenheit entsprechend,
beibehielten, auch nachdem mit dem Jahre 312 sich der Sieg und die öffent-
liche Meinung dem Christenthum zugekehrt hatten 3. Mit einer Reihe anderer
Ateliergewohnheiten hatte es, wie Le Blant wahrscheinlich gemacht hat, ganz
ähnliche Bewandtniss. Traditionen dieser Art scheinen sich bis tief ins Mittel-
alter fortgesetzt und selbst in der Renaissance nachgewirkt zu haben. In
dieser Richtung hat man auf die Victorien der Traianssäule aufmerksam ge-
macht, welche auf den Elfenbeinen der Byzantiner und den Capitellen von
Moissac wiederkehren. Von ganz besonderm Interesse und durchaus belehrend
ist die unzweifelhafte Thatsache, dass Ateliers des oder 5. Jahrhunderts
für eine doppelte Clientel, eine heidnische und eine christliche, arbeiteten.
Die sehr alte heidnische Ofiicin, aus welcher die Terracottalampen mit dem
Stempel ANNI SER hervorgingen, lieferte auch den Christen solche Erzeug-
nisse, welche, mit demselben Stempel versehen, das Bild des guten Hirten
darbieten 4. Könnte in diesem Falle noch an die Möglichkeit gedacht Werden,
dass die Inhaber der Firma ihre Confession im Laufe der Zeit gewechselt
haben, so lässt ein anderes Beispiel keinen Zweifel an der Mischung der
1 GARRUCCI tav. 3012. 2 Id. Stor. IV 10.
a Die einzelnen Belege s. bei LE BLANT Les
ateliers de sculpture chez les premiers chrätiens
(M161. dßxruh. et (Thist. [Rome 1884] p. 440).
Kraus, Gesc-lüehto der christl. Kunst. I.
D'une lampe paienne por-
ANNI SER (Revue archäo-
DE Rossl Bull. 1863,
16
4 LE BLANT
tant 1a marque
lngique 1875).
p. 79 sg. 88.