Viertes
Buch.
Die
altchristliche
Sculptur.
IN der vorconstantinischen Zeit sehen wir die christliche Sculptur hinter Seltenheit
der Malerei vollkommen zurücktreten. Erst mit dem Sieg der Kirche migihe,
erhebt sie sich, um in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, in den Pro- Werke
vinzen bis ins 5. Jahrhundert hinein, ihre Hauptblüte zu entfalten. Bald nach
dem Sturze des Westreiches sehen wir sie verfallen; an grossen Aufgaben
und an Fähigkeit, solche zu bewältigen, fehlt es alsbald; das plastische
Leistungsvermögen zieht sich mehr und mehr auf den Betrieb der sogenannten
technischen und Kleinkünste zurück.
Die Ursachen dieser Erscheinungen liegen zu Tage. Zunächst muss mit
dem Umstande gerechnet werden, dass plastische Werke aller Art leichter
als die in den Coemeterien durch Verschüttung gesicherten Gemälde der Zer-
störung preisgegeben waren. Man darf annehmen, dass der Procentsatz der
auch vor Constantin geschaffenen Sculpturwerke der Christen viel betracht-
licher war als derjenige ist, welcher die uns erhaltenen im Verhältniss zu den
Gemälden aufweisen. Aber auch zugegeben, dass thatsächlich vor 312 die
Sculptur bedeutend hinter der Malerei zurücktrat, so braucht man nicht weit
nach den Gründen dieser Erscheinung zu suchen. Plastische Werke waren da-
mals wie heutzutage eine kostspielige Sache. Die Beschaffung ligurirter Sarko-
phage lag gewiss den Privatpersonen 0b, welche für sich oder die lhrigen diese
Begräbnissweise wählten. Da die weitaus grösste Zahl der Gläubigen sicher
den unbemittelten Ständen angehörte, ergab sich von selbst, dass nur wenige
Gemeindemitglieder an eine solche Auszeichnung denken konnten. Die Coeme-
terialgemalde dagegen wurden, wie man im allgemeinen wird annehmen
dürfen, auf Kosten der das Coemeteriuin besitzenden Gemeinde oder Frater-
nitas hergestellt. Es kam hinzu, dass die Aufstellung niehtsepulcraler Sculptur-
werke in Wohnungen, Basiliken u. s. f. über der Erde angesichts der Arcau-
disciplin und in den Zeiten der "Verfolgung bedenklich sein musste. Endlich
konnten derartige Bildwerke, wie auch die Sarkophage, nicht unter der Erde,
in dem schützenden Dunkel der Katakomben, ausgeführt werden. Man be-
durfte zu ihrer Herstellung des Lichtes des Tages und wohleingerichteter
Ateliers. In der ganzen Zeit der Verfolgung war damit ihre Beschaffung
ausserordentlich erschwert, oft unmöglich gemacht; und das um so mehr,
als die Christen thatsächlich beim Ankauf ihrer Sarkophage von den Allen
zugänglichen Ateliers und Verkaufsstätten vielfach abhängig Waren. Das
geht aus der Thatsache "hervor, dass, wie sie halb fertiggestellte Epi-
Kraus, Geschichte der christl. Kunst. I. 15