Altchristliche Malerei.
malerei platzgegriffen zu haben; zum Theil so, dass die ganze Wand vorerst
mit dem punischen Wachs bestrichen, durch Wärmepfannen erhitzt und mit
demselben Bindemittel ausgemalt wurde.
Die Stellung, welche unsere altchristlichen Bildwerke hinsichtlich ihres Kunstwertli
absoluten Kunstwerthes einnehmen, ist allerdings, soweit wir nach dem clgjätääel,
uns erhaltenen Monumentenschatz zu urteilen in der Lage sind, keine hohe. llhlereiell.
Die christliche Kunst tritt in einem Augenblicke ins Leben, wo die antike
Oultur und Kunst sich bereits entschieden dem Niedergangs znzuneigen be-
ginnen: man kann von ihr nicht verlangen, dass sie sich auf der Höhe des
augustischen und hadrianischen Zeitalters behauptete oder gar Werke schuf,
welche an innerm Werthe sich den grossen Schöpfungen der griechischen
Blütezeit näherten. Auf der andern Seite muss man so gerecht sein, anzu-
erkennen, dass die noch zu Ausgang des 1. oder in der ersten Hälfte des
2. Jahrhunderts entstandenen Coemeterialgemälde sehr gut den Vergleich
mit dem aushalten, was die gleichzeitige profane Kunst leistete oder was
die damals eben verschütteten Leistungen der campanischen Localkunst dar-
znbieten hatten. Wir werden sehen, dass das letzte Auffiackern antiker
Kunstleistung in den Miniaturen des 5. und 6. Jahrhunderts sowie in der
musivischen Malerei gerade unter den Händen der christlichen Künstler
platzgreift: genau so, wie die letzten selbständigen Regungen antiker Poesie
dem Christenthum angehören. Es bewährt sich hier derselbe Parallelismus
zwischen Litteratur und Kunst, auf den wir so manchesmal aufmerksam zu
machen haben. Es ist ganz richtig, was Boissier sagt: Die Christen
entlehnen ihren Vorgängern ihre ganze Technik und schaffen mit christlichen
Ideen classische Verse. Die Armut und Kläglichkeit mancher der uns er-
haltenen Reste darf nicht zu der Annahme verführen, als habe es den ge-
bildeten Elementen der Christenheit im 4. und 5. Jahrhundert an Empündungs-
vermögen für das Schöne und an ästhetischer Urteilskraft gefehlt: wäre das
der Fall gewesen, so hätten Schöpfungen wie die Basilika des constantini-
schen Zeitalters und die Mosaikmalerei von Rom und Ravenna nicht aus
dem Schooss dieser Gemeinden hervorgehen können. Gegen diese Annahme
spräche allein schon die merkwürdige Thatsache, dass gerade jetzt in der
christlichen Litteratur das Naturgefühl zum erstenmal durchbricht. Wir
wissen jetzt sehr gut, dass die Empfindung für das Naturschöne auch den
Alten nicht gefehlt hat, Aber was früher nicht ins Bewusstsein getreten,
das trat jetzt hervor, nachdem in der gesammten geistigen und sittlichen
Anschauung der Welt, in den zartesten Gefühlen und Almdungen so tief-
greifende Veränderungen eingetreten waren. Es ist das Verdienst Alexander
von Humboldts, zuerst darauf hingewiesen zu haben, wie es die christliche
Richtung des Gemüthes war, welche aus der Weltordnung und Schönheit
der Natur die Grösse und die Güte des Schöpfers zu beweisen unternahm,
und wie in den Schriften der Kirchenvater, vorab der hll. Basilius und Gre-
gorius von Nazianz, in den Schilderungen der Landschaft und des Wald-
lebens Gefühle ausgesprochen werden, welche sich mit denen der modernen
Zeit inniger verschmelzen als alles, was uns aus dem griechischen und
Nr. 76). Vgl. ausserdem DONNIJRS Abhand-
lung in HELBIGS ,Wandgemä1de Campaniensi
MAU Vortrag im Archäologischen Institut,
13. December 1878 (daraus Archäologische
Zeitung 1879, S. 166 BLÜMNER Techno-
logie und Terminologie der Gewerbe und
Künste bei Griechen und Römern. Leipzig
1879 f.