Drittes Buch.
ergab sich daraus, dass man selbst an heiliger Stätte unbedenklich die decora-
tiven nackten Genien, Personiiicationen u. s. w. zuliess oder keinen Anstoss
daran nahm, den Ateliers der Bildhauer Sarkophage zu entnehmen, welche
nackte Figuren darboten. Es ist ausserdem anzunehmen, dass letztere wo]
so gestellt wurden, dass anstössige Scenen der Wand zugekehrt waren oder
dass solche mit Gips verdeckt wurden. Aber auch bei der Darstellung bib-
lischer und anderer Scenen gingen die christlichen Künstler dem Nackten
nicht aus dem Wege, wo es durch das Sujet angezeigt oder bedingt war.
Dahin gehörten Adam und Eva im Paradiese, Isaak beim Opfer Abrahams,
Daniel in der Löwengrube, Susanna, Tobias, Jonas, Isaias, wie er durchsägt
wird, Christi Taufe, die Heilung des Gichtbrüchigen, wozu in den Miniaturen
noch andere biblische Geschichten kommen, wie Noe, Joseph und Putiphar,
Isaak und Rebekka. Bei einigen dieser Sujets hatte die Nacktheit eine be-
stimmte symbolische Beziehung. Im übrigen war sie auch hier durchweg nur
eine relative.
Bei-Nimbus. Noch muss einer Entlehnung aus der vorchristlichen Kunst gedacht werden,
welche für die christliche aller Zeiten bleibende Bedeutung gewonnen. Es ist
die des Nimbus. Die Alten pflegten Götter, vergöttlichte Personen, selbst
Personificationen von Städten und Flüssen mit einem
_Ä den Kopf oder die ganze Figur umgebenden Strahlen-
9 Q kranz zu versehen. Apollo oder Sol, Mercur, später
o3 _ die Kaiserbilder, erfreuten sich unter anderm dieses
k"? Verzuges. Nur allmählich entschlossen sich die christ-
'fl O liehen Künstler, dies Motiv zu übernehmen. Dass
N auch bei ihnen der Nimbus zunächst nur einen all-
gemeinen Vorzug, nicht den Charakter der Heiligkeit
Giflijijßgfl-ügilnfil"ääggfas. ausdrücken sollte, geht daraus hervor, dass auch
die Münzen christlicher Kaiser (wie das Bild Traians
auf dem Constantinsbogen), die Mosaikdarstellungen Justinians d. Gr. und
seiner Gemahlin Theodora in S. Vitale zu Ravenna, ja der Herodes auf den
Mosaiken Sixtus' III in S. Maria Maggiore zu Rom den Nimbus aufweisen 1.
Sehr bemerkenswerth ist das Fehlen desselben auf allen dem 6. Jahrhundert
vorausgehenden Coemeterialgemalden. Wir begegnen ihm zuerst auf Gold-
gläsern, von denen Wol noch einige dem 3. Jahrhundert angehören mögen,
und wo Christus, seine Wunder verrichtend, diese Auszeichnung tragt (vgl.
Fig. 179). Ebenso hat Maria auf Goldglasern einigemal den Nimbus; auf den
Mosaiken von S. Maria Maggiore erscheint sie bald mit bald ohne denselben.
Das Lamm Gottes am Triumphbogen von S. Cosma e Damiano in Rom (530)
entbehrt des Nimbus wieder, und während die Apostelfürsten denselben
ziemlich früh führen, erscheinen sie wie die anderen Heiligen häufig wieder
ohne denselben, so dass man sagen darf: bis zum 7. Jahrhundert bestand
eine bestimmte Regel oder Vorschrift hinsichtlich der Verwendung des
Nimbus nicht, und es lasst sich daher aus der Anwesenheit oder dem
Fehlen desselben kein unbedingter Schluss auf Alter oder Ursprung eines
Werkes machen.
Sehr verschieden ist auch die Gestalt des Nimbus. Der die ganze Person
umfliessende Strahlenkranz tritt uns, in Anlehnung an die Antike, noch in
der christlichen Litteratur des 2. und 3., bezw. 4. Jahrhunderts entgegen. So
1 Auf einer Miniatur des 10.
der Teufel
hat selbst
Jahrhunderts
Nimbus.