Altchristliche Malergi.
in der im Kerker verfassten Schrift ,Ueber den Trost der Philosophie von
den Argumenten gänzlich absieht, Welche der Glaube in solcher Lage des
Lebens an die Hand gibt. Anderer Natur ist Ausonius, der Lehrer des
Kaisers Gratian, dessen Gedichte Christliches und Heidnisch-Obscönes in merk-
würdiger Mischung bieten. Solcher Geistesrichtung mochte das Ehepaar an-
gehört haben, welches sich das schon erwähnte, früher der Sammlung des
Herzogs von Blacas, jetzt dem British Museum gehörende, 1793 in Rom
gefundene Schmuckkästchen schenken liess, auf welchem neben der Inschrift
SECVNDE ET PROIECTA VIVATIS IN CHRIsto die Toilette der Venus
dargestellt istl (Fig. 178). Ausgiebigere Beispiele solcher synkretistischer
Gesinnungen liefern die Inschriften; der Umstand, dass uns wenige bildliche
Darstellungen ähnlicher Art erhalten sind, beweist entweder, dass dieser
Synkretismus nicht allzu tief ins Leben eingedrungen und sich nicht lange
gehalten hat, oder dass die Denkmäler dieser Gattung, wie das leicht ver-
ständlich ist, in den späteren Jahrhunderten beseitigt worden sind.
Nicht auf Rechnung des Synkretismus ist es dagegen zu setzen, wenn
auch Christen bei Darstellung rein profaner Gegenstände bei den hergebrachten
Typen der römischen Kunst blieben. In der Profankunst tritt uns die parallele
Erhaltung beider Typen, während der christliche in der Sacralkunst längst
ausgeprägt ist, sowol in den bald zu besprechenden Kalenderbildern des Philo-
calus als in der Textilkunst entgegen 2.
In diese Kategorie fällt auch die Verwendung profaner Motive in der
christlichen Kunst da, wo ein profaner, dem Leben der Gegenwart angehörender
Vorgang als Analogon eines religiösen aufgefasst und verwerthet wird 3. Wir
haben in der Darstellung des Weltgerichts auf der barberinischen Terracotta
eine solche Benutzung profaner Elemente kennen gelernt. Diese Darstellung
ist, wie ich seiner Zeit nachgewiesen habe, "die des sogen. Liberalitas Azagusti.
Die Darstellung des seine Gaben austheilenden Kaisers erschien geeignet,
um die Freigebigkeit des seinen Lohn austheilenden Erlösers zur Anschauung
zu bringen. Die Entgegennahme der Anweisungsrolle, wie wir sie auf dem
Constantinsbogen dargestellt sehen, wird vorbildlich für die Ertheilung und
Entgegennahme des christlichen Gesetzes, jener sich zwischen Petrus und
Paulus einerseits, Christus anderseits abspielenden Scene, die wir so manches-
mal dargestellt sehen 4. Die thronende Gestalt des Herrn auf unseren Mosaiken
und Elfenbeinen wiederholt die Gestalt des im goldgestickten Staatskleide da-
sitzenden, mit dem Nimbus gezierten, in der einen Hand die Weltkugel hal-
tenden, die andere mit ausgestrecktein Zeige- und Mittelfinger der Gebärde
des Sprechenden erhebenden Kaisers, wie wir sie auf dem in Madrid befind-
lichen Silberschild des Theodosius, auf einem Bronceniedaillon Constantins d. G12,
auf dem grossen Goldmedaillen aus dem Schatzfund von Szilagy-Somlyö in Sieben-
1 VISOONTI Opp. var. 1 (ed. Liuzns) 216.
2 Vgl. betreffs letzterer RIEGL 'I'extil-
funde S. XXIII.
5 Vgl. jetzt den Aufsatz JUL. v. SGHLOSSERS
über heidnische Elemente in der christlichen
Kunst des Alterthums (Allg. Ztg. 1894, Beil.
zu Nr. 248. 249. 251), dessen Conclusionen
ich indessen theilweise ablehnen muss.
4 Vgl. die auch nach andern Rüoksichten
beachtenswerthen Mittheilungen Swosonßs
betr. der Pyxis von Pola (in den Mitthei].
der k. k. Centralconnnission 1890). Derselbe
citirt eine Aeusserung des hl. Chrysostolnus,
die nach dieser Hinsieht allerdings höchst
charakteristisch ist: ,So wie die Kaisei", sagt
der Kirchenlehrer, ,ihren Statthalter]: als
Zeichen der Herrschaft goldene Bücher über-
reichen, ebenso hat auch Gott jenen Gerechten
als Sinnbild des Glaubens die Gesetzestafeln
gegeben."