Altchristliche MaIgE-Li.
Lehre, sondern der Mythus von der Gewalt seiner die wilden Thiere bän-
digenden Musik den Anlass zur Reception des Sujets gegeben hat. Wie populär
dieser Mythus in Rom geworden war, zeigen die daselbst beliebten theatra-
lischen Aufführungen desselben 1. Die Fabel ist dann früh von christlichen
Schriftstellern aufgegriffen worden. Am eingehendsten spricht sich darüber
Clemens Alexandrinus aus (in der Einleitung zu seinem Aörog rrporpsnnxbg
rpög "Ilblvyuug. Hier wird auseinandergesetzt, wie Orpheus durch seinen Ge-
sang die wilden Thicre gezähmt, ja sogar die Bäume von ihrer Stelle bewegt
habe: ja Steine hat dieser himmlische Gesang in milde Menschen verwandelt.
,Siehe," heisst es dann mit Bezugnahme auf die Heilige Schrift weiter, ,wie
mächtig der neue Gesang war; Menschen machte er aus Steinen, Menschen
aus wilden Thieren, und Diejenigen, die einst todt waren, sie sind lebendig
geworden, sobald sie nur diesen Gesang gehört haben. Und dieser lautere
Gesang hat das All erfüllt. Als der Logos Gottes, Leier und Zither, leblose
Instrumente, verachtend, diese Welt und auch die kleine Welt, nämlich den
Menschen und seine Seele und seinen Leib, im Heiligen Geiste in Harmonie
gestimmt hatte, da hat er Gott durch das Instrument vieler Stimmen Lob
gesungen." In ähnlicher Weise setzen Irenaeus und andere griechische Väter
Orpheus und Christus in Parallele. Wir sind also wol berechtigt, in dieser
Auffassung auch das Motiv zu sehen, welches die christlichen Künstler des
2. Jahrhunderts zur Uebernahme dieses Sujets bewog 2. Schon im 8. Jahr-
hundert scheint es verlassen worden zu sein. Man Weiss, dass Kaiser Alexander
Severus in seinem Lararium Bilder Christi und des Orpheus nebeneinander
aufstellen und verehren liess. Vielleicht lag in synkretistischen Neigungen
dieser Art der Anlass, Weshalb die hierarchische Leitung die Orpheusdarstel-
lungen fallen liess 3. Jedenfalls verschwinden. sie mit dem 3. Jahrhundert,
oder vielmehr, es findet eine Umbildung des Orpheustypus in denjenigen des
guten Hirten statt, wie das dem 4. Jahrhundert angehörende Fresco aus
S. Priscilla beweist, welches bei den Ausgrabungen von 1887 hervortratä
Die Fabel von Odysseus und den Sirenen, gegen deren verführe- Qdyäsßus-
rischen Gesang sich der l-Ieros durch Verstopfen der Ohren und Anbinden an Dm
den Mast seines Schiffes schützte, war von den Vätern ebenfalls frühzeitig
als ein Bild der Anstrengungen erklärt worden, welche der Christ machen
muss, um den Versuchungen dieser Welt zu entgehen. Hippolytus (Phil. VII 1)
führt diesen Gedanken aus mit Beziehungen auf die uns durch die Irrlehren
bereiteten Gefahren; Iustinus Martyr und Maximus von Turin denken dabei
besonders an die Bedrohung unserer Sittlichkeit durch die Reize der Welt
und ihren Umgang. Man kann es daher verstehen, dass sich die christlichen
Künstler auch dieses Sujet nicht entgehen liessen. Indessen ist dasselbe bis
jetzt auf Gemälden gar nicht und auf Sarkophagen nur in zwei Fragmenten
nachgewiesen, welche zwar in den Katakomben gefunden wurden, deren christ-
licher Ursprung jedoch nicht unbedingt feststeht 5. Eines derselben (Fig. 177)
1 FRIEDLÄNDER Sittengesch. II 269.
2 Neuestens hat HEUSSNER (Die altchrist-
liehen Orphexlsdarstellungen. Kassel 1893)
nachzuweisen versucht, dass die Darstellung
mit den orphischen Gesängen in das Christen-
thum eintrete. Vgl. dagegen DOPFFEL in der
Theol. Litteraturzeitung 1893, Nr. 25, welcher
unserer Auffassung beitritt, während ZUGKER
(Gött. GBInADZ. 1889, S. 324 f.) das Sujet
als rein decorativ verwendet glaubt.
3 Roma sotterranea. II 536 f. -Real-Encykl.
11 562.
4 DE Rossr Bull. 1887, p. 29, tav. 6.
5 Vgl. Real-Encykl. II 521.