Volltext: Die hellenistisch-römische Kunst der alten Christen, die byzantinische Kunst, Anfänge der Kunst bei den Völkern des Nordens (Bd. 1)

Altchristliche Malii. 
Weise von einer ,Mythologie der christlichen Kunst' gesprochen 
werden, wie dies Ferd. Pip er in seinem verdienstvollen Werke gethan hat? 
Gewiss, Wenn auch heute anders als damals, als Piper sein also betiteltes 
Werk (1847-1851) herausgab. Die Wiederaufnahme der monumentalen 
Studien in Rom hat diese Angelegenheit in ein wesentlich anderes Licht ge- 
rückt. Garruccfs Untersuchungen über die synkretistische Katakombe an 
der Appischen Strasse hatte der Rochetteischen Beweisführung eine Haupt- 
stütze entzogen, indem nunmehr klar war, dass die Gemälde dieses Coeme- 
teriums nicht, wie Bottari angenommen hatte, einer Begräbnissstätte römischer 
Christen, sondern derjenigen eines asiatischen Mischcultus angehörten. Die 
Prüfung des Gesammtcomplexes altchristlicher Denkmäler, welche de Rossi 
dann vornahm1, zeigte, dass zwar bis Constantin das gesammte deeorative 
System der römischen Kunst und mit ihm einige passende Typen von den 
Christen übernommen wurden, dass sie dann aber in Nachahmung des römi- 
schen Stils Sujets und Gruppen erfanden, welche von dem Geiste der neuen 
Religion unmittelbar eingegeben waren. Bei der Uebernahme der Decoration 
liess man sich auch Formen und Bilder gefallen, welche zwar ursprünglich einen 
idololatrischen Charakter besassen, diesen aber im Laufe der Zeit verloren 
hatten, so dass ihre Verwendung rein ornamentaler Natur war. Die Meer- 
ungeheuer, Delphine, Tritonen, Nereiden, Oceanusköpfe, See- 
pferdchen, Vögel, das Weinlaub und andere Motive aus dem Pflanzen- 
reiche gehören zunächst in diese Kategorie, die auch Tertullian als ßiimplex 
ornaonevztmn" wol von den Darstellungen zu unterscheiden weiss, welche ,ad 
idololatriae titulunz pertinebanvf. Bei der Adoption heidnischer Typen, denen 
man einen christlichen Sinn unterlegte, musste man schon vorsichtiger sein: 
speciüsch polytheistische oder gar die sittliche Empfindung der Christen be- 
leidigende Sujets schlossen sich selbstverständlich hier von selbst aus. Da- 
gegen konnten wol Sujets gefallen, welche der christlichen Auffassung ver- 
wandte Gedanken, wie den des Fortlebens nach diesem Erdendasein, aussprachen. 
Dahin mochten die Genien (Putti) gehören, weiter die Sirenen, das 
Gorgoneion oder Medusenhaupt, das als Bild des Todesschreckens 
einigemal auf Gemälden und Sarkophagen auftritt, der Granatapfel, die 
der Persephone geheiligte Frucht (in S. Gennaro in Neapel und einigemal in 
Rom beobachtet), gleich dem Mohne ein Symbol des Todesschlafes; ferner 
gewisse Gegenstände aus dem bacchischen Kreise (Masken, Panther, 
Handpanken, der Steinbock), welche das Aufblühen und Absterben der Natur 
andeuteten; vielleicht auch die Jahreszeiten, dann Kranz und Krone, 
Thiere, wie der Phönix, der Hase, das Pferd. Ausgesprochenern 
mythologischen Charakter haben schon die Dioskuren, die Le Blant auf 
einem Sarkophag aus Arles nachwies und als Symbolisirung der Ehegatten 
auffasst2, ferner Iuno Pronuba, welche auf dem Sarg der Villa Ludovisi 
hinter dem christlichen Ehepaar und inmitten biblischer Sujets erscheinta; 
endlich Eros und Psyche und Orpheus, mit welchen Adoptionen die 
äusserste Concession nach dieser Seite erreicht War. Das Märchen von Amor 
und Psyche, bekanntlich Umbildung einer orientalischen Erzählung, war durch 
Apuleius populär geworden. Man hatte sich gewöhnt, in ihm die Idee von 
1 Roms. sotterranea I 67. 
2 Sarcoph. d'Arles N0. 31, 
386. 
14 w: 
3 Vgl. Real-Encykl. I 
Archäol. Studien S. 112. 
SCHULTZE
	        
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