Drittes Buch.
Engel und
Teufel.
bilden vielmehr Aufforderungen zum brutalen Lebensgenuss1, und konnten
daher den altchristlichen Künstlern nur ein Gegenstand des Abscheues sein.
Giotto's Skelett zu Assisi wird schwerlich das älteste Beispiel einer Adoption
dieses Typus sein, wie man angenommen hat; aber es hat doch wol bis zum
12. Jahrhundert gewährt, ehe man sich zu der Vorführung des Gerippes ent-
schloss. Auch jene andere Personification des Todes als eines dem Cupido
ähnlichen schönen Knaben hat auf unseren Bildwerken keinen Eingang ge-
funden, sowenig als die Entführung der Seele durch Pluto, wie wir sie
auf den Gemälden der synkretistischen Katakombe bei Praetextat sehen
(CORREPTIO VIBIES ET DISCENSIO), oder die Hinschleppung der Seele
nach dem Schattenreich durch ein Pferd (auf einem etruskischen Grabgemälde).
Indessen übernimmt die christliche Litteratur die dem Todesgedanken ver-
wandten Vorstellungen vom Hades und den Hadespforten; wir sehen in ihr
Hades und Thanatos, den Cyrill schon personiücirt, bald identiiicirt bald
unterschieden, bis Anastasius Confessor drei Pförtner der Unterwelt, den
Drachen, Hades und Thanatos, die Christus alle bei seiner Höllenfahrt besiegt
hat, aufzuzählen vermag. Im Evangelium des Nikodemus tritt Christus den Tod
mit Füssen, bei Methodius ebenso den Teufel, dessen Identificirung mit Hades
und Thanatos dann in der byzantinischen Litteratur sich lange erhalten hat.
Vielleicht ist die in Flammen steckende Jünglingsgestalt, welche Christus die
Seele Adams im Limbus (auf einem Fresco von S. Clemente, 9. Jahrhundert)
streitig machen will, ein Teufel. Die spätere Kunst versinnbildet in den
Darstellungen der Höllenfahrt die Unterwelt und den Teufel zugleich durch
den Scheel, den Rachen des Ungeheuers, aus dem Christus die Voreltern
herauszieht 2.
Reihen wir diesem Gegenstands die Darstellung der Teufel und Engel
an, Welche in einem gewissen Sinne als Verkörperlichungen geistiger Mächte
den Personilicationen nahestehen. Die Volksvorstellungen der alten Christen
wichen von denen der Gegenwart hinsichtlich der Erstern wesentlich ab. Die
Schlange oder der Drache als Bild des Teufels erscheint nicht bloss so im
Alten Testament (1 Mos. 3, 1), sondern auch in der babylonischen Litteratur,
in der Apokalypse des hl. Johannes (12, 9) und in den Acten der Martyrer;
in der Vision der Perpetua heisst es: sub ipsa scala draco cubans mvirae magn-i-
tuolinis. Als ein dreiköpiiges Ungeheuer wird der teuflische Drache (wol in
Erinnerung an Cerberus) beschrieben in dem apokryphen Evangelium des
Nikodemus und in der Karfreitagsrede des Eusebius von Alexandrien, der
ihn geradezu rprzägaaßle ßssÄfeßoöÄ anredet. Die Vorstellung des Dämons als
einer Schlange mit Weibeskopf tritt erst im Mittelalter, bei Beda, auf, dem Vin-
centius von Beauvais sie entlehnt. Parallel mit dieser Vorstellung des Teufels
als Drache läuft aber in den Acten der Martyrer auch diejenige eines gräss-
lichen Mohren (Aethiopier), welche auch bei Augustin und Gregor d. Gr. nach-
weisbar istß und die in den apokryphen Acten des hl. Bartholomaeus 4 schon
dahin ausgebildet ist, dass der Teufel geradezu als missgestaltetes Un-
geheuer auftritt: hier ist er ein Mohr mit Hundeschnauze, bis zu den Füssen
behaart, mit glühenden Augen, Feuer aus dem Rachen, Rauch aus den Nasen-
1 DE NVITTF. in Mdm. des antiq. de France
XXXI 160. TREU De ossium humanoruln
larvarumque apud antiquos imaginibus. Berol.
1874. L1: BLANT De quelques objets ant.
räprod. des squelettes (Mäm. d'arcl1. et d'hist.
VII [1887] 251).
2 Real-Encykl. II S73. 3 Ebd. S. 856.
4 TISGHENDORF Act. apost. apocr. Lips. 1851.