Altchristliehe Malerei.
darstellt1. Dieser Auffassung begegnen wir auch in der ersten der O-Anti-
phonen, die zum Magnificat vor Weihnachten im Officium gebetet werden: O
sapientia 22cm" ad docendu-zn nos viam prudentiae. Dementsprechend er-
klären wir auch das Titelblatt des Codex Rossanensis (6. Jahrhundert), wo
Marcus, in einer Tempelhalle sitzend, offenbar die Inspiration empfängt von
einer edlen weiblichen Gestalt, die, in ein helles, bis zu den Füssen herabwal-
lendes Gewand gehüllt, vor ihm steht. Ihr Haupt ist von einem bläulichen
Nimbus umzogen. Mit Rücksicht auf die Visionen des Hermas (I-IV, bes.
II. III) haben die Herausgeber der Handschrift von Rossano hier die Kirche
gesehen, während unzweifelhaft die göttliche Zogoia in der Gestalt zu erblicken
ist, wie auch auf einer Miniatur des 10. Jahrhunderts, wo zu zwei rechts und
links von David stehenden Gestalten die Beisohriften COQIA und llPüiblfflA
gelesen werden 2.
Obgleich die altchristliche Litteratur schon frühzeitig Beispiele für die
Personilication der Tugenden bietet 3, so ist doch bis heute auf den Coeme-
terialgemälden kein einziges sicheres Beispiel einer solchen nachgewiesen
worden 4. Auf Sarkophagen der nachconstantinischen Zeit hat man mehrere
derselben zu finden geglaubt. S0 wollte Bottari (I 105) auf einem römischen
Sarkophage5 in zwei Halbiiguren, deren eine eine Fackel trägt, die andere
die Hände erhebt, Liebe und Hoffnung versinnbildet finden, während Passeri
hier Tag und Nacht, Piper (I 277) Amor und Psyche, Garrucci Sonne und
Mond erkannten. Zwei ähnliche Figuren auf dem schönen Sarkophag von
St Francesco in Perugiaß werden als blosse Ornamentgestalten aufzufassen
sein. Unhaltbar dürfte Garrucc-Ys (I 281) Annahme sein, die von allen übrigen
Erkliirern für Iuno Pronuba angesehene, hinter dem Gatten stehende Gestalt
auf dem Sarkophag der Villa Ludovisi 7 sei ein Bild der Concordiat, und ebenso
diejenige Toelkens, der auf einem Berliner Intaglio eine Orans für eine Pietas
nimmt. Die Pietas I-Bomana auf einer Münze der Theodora kann noch als
Reproduction heidnischer Vorbilder gelten, so dass auch für die Plastik des
Jahrhunderts Personificationen von Tugenden nicht mit Sicherheit auf-
zuweisen sind. Das erste klar ausgesprochene Beispiel von solchen bietet
uns die Buchmalerei, und zwar in der Dioscorides-Handschrift 8, wo, durch
ihre Beischriften leicht bestimmbar, die yeyalogbulia, die gapöwyaeg, eöZapzoz-Za
und aljpsazg personificirt sind. Dann kommen die Mosaikböden, auf denen
das Mittelalter so gerne den Sieg der Tugenden über die Laster darstellt.
Das früheste Beispiel dieser Darstellung besitzen wir in dem Paviment des
Doms zu Cremona, wo die als Frauen gestalteten Laster der Crudelitas,
Impietas und Discordia von der Fides überwunden werden, und in einer ähn-
lichen Gruppe in Pavia Darstellungen, welche E. Müntz ins Jahr-
hundert setzt.
Aehnlich steht es mit der Personification des Todes, dessen Darstel-
lung in der antiken und spatern Kunst seit Gaylus, Lessing und Winckel-
mann den Gegenstand so zahlreicher Untersuchungen gebildet hat. Die an-
tiken Darstellungen des Skelettes wollen keineswegs den Tod vorstellen; sie
Die
Tugendez
' Vgl. GREG. NYSS. De vita S. Gregorii
'l'haumat. (Opp., ed. MIGNE III 911).
2 DIDRON Iconogr. de Dieu p. 419.
3 HERM. Pastor. Vision. III 8; Similitild.
IX 15. Epitaph. des Abercius: rim-zg ää
qnoifs.
Kraus, Geschichte der christl. Kunst. I.
in
4 Vgl. PIPER a. a. O. I 2, 680.
Real-Encykl. II 924.
5 GARRUCCI tav. 327 2.
6 lbid. tav. 3211.
7 Ibid. tav. 341
S D'AGINc0UR1' pl. 26.
14
Kmscn