Volltext: Die hellenistisch-römische Kunst der alten Christen, die byzantinische Kunst, Anfänge der Kunst bei den Völkern des Nordens (Bd. 1)

Drittes 
Die 
Etimasia. 
S. Ciriacai und dasjenige der Katakombe in Vigna Cassia bei Syrakus (Mitte 
oder Ende des 4. Jahrhunderts) 2, in welchen de Rossi die früheste Andeutung 
des Gerichtes sieht. Das von Bosio (p. 231) zuerst abgebildete Deckengemälde 
in S. Domitilla 3, wo zwei Verstorbene vor dem auf einem hohen Tribunal 
sitzenden Erlöser erscheinen, dürfte derselben Kategorie angehören 4, Während 
die von Wilpert 5 ebenfalls als Gerichtsscenen angezogenen Fresken aus S. Er- 
mete und dem Oubiculum an der Via Ardeatina, bei der Nunziatella (3. Jahr- 
hundert?), auch nach dem Urteile de Rossi's nicht den riehtenden, sondern 
den auf der Kathedra lehrenden Herrn aufweisen. Zu dem Gedanken eines 
allgemeinen Gerichtes scheint die Vorstellung der Scheidung der Böcke von 
den Schafen (Matth. 25, 82) überzuleiten, welche dem Katakombengemätldo 
in S. Callistoö zu Grunde liegt, welche nach Paulin von Nola (Ep. XXXIl) 
auch in der Basilika zu Fundi vorgeführt war und auf den Mosaiken von 
S. Apollinarc Nuovo in Ravenna7 uns erhalten ist. Den Gedanken an den 
Richter legt auch die Darstellung der sogen. Etimasia nahe, welche uns 
den von den Emblemen des Herrn eingenommenen Thron Christi zeigt (Ps. 
88, 15: ärozyaoia m5 Üpöuou 000; vgl. Eph. 6, 15). Sie tritt uns zuerst auf 
einem tusculanischen Sarkophag entgegen, wo das Monogramm X in einem 
Kranz über dem Thronsitz erscheints; dann auf einem geschnittenen Steine 9, 
der wol um 400 fällt. Zu grosser Beliebtheit ist dies Sujet dann in der 
Mosaik- und Buchmalerei, überhaupt in der byzantinischen Kunst gelangt, 
welche bald das Evangelienbuch und die Taube, bald Lamm und Kreuz auf 
den Thron stellt"). Der Thron pflegt mit einem Kissen bedeckt zu sein, wie 
das schon im profanen Alterthum die Bilder des Adonis zeigen 11. Die erste 
bewusste Darstellung des Weltgerichtes findet sich in der zuerst von Gar- 
rucci12, dann von dem Herausgeber 13 besprochenen Terracotta der Barberini- 
sehen Bibliothek (Fig. 171). Hier ist der zwischen den Zwölfen sitzende und 
die Welt richtende Erlöser so dargestellt, wie die sinkende römische Kunst 
uns den inmitten der Consulen auf einem Suggestus sitzenden und dem durch 
die Cancelli von ihm getrennten Volke Geschenke in Gestalt von Geldsäcken 
zuwerfenden Kaiser auf dem Triumphbogen des Constantin vorstellt. Es ist 
nichts anderes als eine ins Christliche übersetzte Veranschaulichung der 
Liberalitas, wie sie uns auf den Kaisermünzen seit Nero entgegentritt und 
wie sie in der christlichen Litteratur bereits des  Jahrhunderts an- 
gebahnt war 14. Auf Medaillen des Valens sehen wir die Gloria Romlanomazzz 
1 Bull. 1876, tav. S). 
2 Ibid. 1877, p. 150, tav. 10. 11. 
3 GARRUGGI tav. 24. 
4 WILPERT in Bull. 1877 l. c. und 1888 
auf 1889, p. 79 sg. 
5 VVILPERT a. a. O.u. 1892, S. 28; Die Kata- 
kombengemälde und ihre alten Copien S. 58. 65. 
6 DE Rossr Roma sotterranea. II, atl. agg. A. 
7 GARRUGCI tav. 284 4. 
S DE ROSSI Bull. 1872, p. 123 sg., tav. G. 
9 C. I. Gr. n. "9080. 
1" Vgl. Real-Encykl. I 432.  Zu unter- 
scheiden von der Etimasia ist die Darstellung 
des leeren Thrones (so auf einem Stein 
bei Bosro p. 327. Bull. a. a. 0., tav. 92), wo 
ein Vogel, wol Symbol des Heiligen Geistes, 
auf der Stuhllene sitzt, und die Kathedra 
allein mit dem Monogramm und den mysti- 
schen Strömen, einer Anspielung auf den 
,natal1's fons, unde aquae cunctae procedunß 
(Immc. I).  Vgl. Real Encykl. I 432. 
11 LOVATELLI I giard. di Adone. 
12 Tav. 465 6, zu I 591. 
13 KRAUS Die Wandgemälde in d. St. Georgs- 
kirehe auf der Reiehenau, und: Die altchrist- 
liche Terracotta der Barberinischen Bibliothek 
(Arch. Ehrengabe zum 70. Geburtstage de 
Rossfs [Rom 1892] S.  
14 PsEUDo-CYPR. Lib. de aleatoribus e. 11 
(ed. Hmannmann p. 25).
	        
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