Altchristliche Malerei.
ein und gewann in sehr kurzer Zeit die Überhand. Die junge sieghafte Ge-
meinde hatte guten Grund, mit Genugthuung und freudigem Stolz auf die
Geschichte ihrer Entstehung, Befestigung und ihres Ausbaues zurückzublicken.
Die grossen Ereignisse der Offenbarung und Erlösung beginnen nun um ihrer
selbst willen, als historische Vorgänge, geschildert zu werden. Leben und
Leiden des Herrn, bald auch Leben und Leiden jener Blutzeugen, in denen
sich die Thatigkeit des Gründers der Kirche fortsetzte, werden jetzt als
geeignete Gegenstände der Darstellung erkannt und gewinnen bald eine un-
vergleichliche Popularität. Hatte man früher der gedrückten, fast verzagenden
Gemeinde nur Bilder des Trostes und der Erniuthigung gereicht, so konnten
dem siegreichen Volke Gottes nunmehr alle Episoden der heiligen Geschichte
und nach Bedürfniss alle Wahrheiten und Lehren im Bilde vorgeführt werden.
Und hatte der Spiritualismus der ersten Jahrhunderte Gründe gehabt, an-
gesichts der idolatrischen Stimmung der herrschenden Massen die porträtahn-
liehe Darstellung des Gottmenschen zu meiden, so erschienen diese Gründe
nunmehr bald als hinfällig; die Anerkennung des gottmenschlichen Charakters
des Erlösers durch das Nicaenum 325 und der endliche Sieg der Homousie
führten allmählich zu der ikonographischen Behandlung der Person J esu Christi,
Welcher diejenige der Gottesgebarerin schon lange vorhergegangen War.
Das ist im wesentlichen die Evolution, welche die Geschichte der christ-
lichen Malerei im 4. Jahrhundert zu verzeichnen hat. Gehen wir auf die
wichtigsten Details dieser neuen Richtung etwas tiefer ein.
Aus der vorconstantinisehen Periode hat auch de Rossi nur ein einziges
Coemeterialgemalde als rein historisch, d. h. als die Darstellung eines aus der
Geschichte der Kirche geschöpften Vorganges, erkannt. Es ist das über der
Krypta des hl. Eusebius beiindliche Arcosolium-Bild, welches das Erscheinen
zweier Christen vor dein auf einer Art Tribunal stehenden Richter viel-
leicht dem Kaiser selbst verführt. Hinter dem Rücken der beiden an-
scheinend ihre Unschuld betheuernden Angeklagten entfernt sich in oifenbarem
Unmuthe eine vierte Person, in welcher man einen Götzenpriester (sacerdos
COFOTZCIÜILS), wol den Ankläger, vermuthen darf. Das Fresco befindet sich unter
dem Cubiculum der Martyrer Parthenius und Calocerus, und es erscheint de
Rossfs Hypothese begründet, welcher hier das Verhör dieser beiden Blut-
zeugen dargestellt glaubt. Beide waren zur Zeit ihres Lebens Kämmerer
einer vornehmen Frau, deren Familie dies Grundstück wahrscheinlich zu
Zwecken eines kirchlichen Coemeteriums hergegeben hat (vgl. Fig. 129)1.
Die Entstehung dieses Bildes wird um die Mitte des 3. Jahrhunderts zu
setzen sein.
Den frühesten historischen Darstellungen können auch diejenigen bei-
gezahlt werden, welche von dem Gewerbe, Handwerk oder der Be-
schaftigun g der Todten sprechen. Manche derselben haben wir bereits
kennen gelernt. Die Männer, welche die Anlage der Coemeterien zu besorgen
hatten, die Fossoren, die vielleicht einen kirchlichen Ordo bildeten,
sicher eine angesehene Stellung bekleideten, und die ihnen beigeordneten
Steinmetzen (Lapicidae) sorgten durch mehrfache Abbildung ihrer Person
Gewerbe.
' Vgl. DE ROSSI Roms. s0tterranea11219.
359, tav. 21. Die Vermuthung V. Sclwvrzrsfs
(Die Katak. S. 141; im Christl. Kunstbl. 1879,
S. 180 f.; ebenso neuerdings in s. Archäol.
(l. christl. Kunst S. 354. 363), es sei hier das
Verhör des Apostels Paulus vor dem cypri-
sehen Proconsul (Apg. 13, 6) dargestellt, muss
als durchaus willkürlich abgewiesen werden.