Drittes Buch.
wir nun dem noch dem Ende des 1. oder Anfang des 2. Jahrhunderts an-
gehörenden schönen Fresco aus dem Eingänge von S. Domitilla zuweisen müssen,
dessen schon oben gedacht wurde; während auf der andern Seite nicht aus-
geschlossen erscheint, dass die eine oder andere Gastmahlsscene die Hochzeit
zu Kana (so vielleicht Fig. 61), oder wirkliche Agapen vorstellen sollen.
Das Sprechen wir an letzter Stelle von demjenigen symbolischen Zeichen,
welches bald alle anderen überragen und thatsächlich alle anderen überleben
das Krevz- sollte: von dem Monogramme und dem Kreuze. Der Gegenstand geht
weit mehr die Epigraphik als die Kunstgeschichte an und darf daher hier
kürzer behandelt werden, als es seiner Bedeutung in der christlichen Archäo-
logie an sich zukommt.
Eine weit mehr durch ihre Zahl als durch ihren innern Werth be-
deutende Litteratur hat sich mit dem Auftreten des Kreuzes vor Christus be-
schäftigt, und eine ganze Schule von Archäologen hat sich bemüht, das Kreuz
als ein schon in vorchristlicher Zeit vorhandenes und von den Christen über-
nommenes religiös-symbolisches Zeichen zu erweisen 1. Ich bin von der Stich-
haltigkeit dieser Hypothese bis jetzt in keiner Weise überzeugt worden. Eine
grosse Anzahl der zum Erweis derselben beigebrachten Beispiele von antiken
Bildwerken, mexicanischen und asiatischen Bauwerken u. s. f. ist ohne wei-
teres auszuschliessen, da das Kreuz hier nur als geometrische Figur und rein
ornamental verwendet ist. In anderen Fällen ist das aus X und P gebildete
Monogramm wie das angebliche baktrische Labarum und das 4 auf den
Münzen Herodes d. Gr. einfaches Monetarzeiohen. Als Symbol kann bloss
das sogen. Swastika-Kreuz (Pfötchenkreuz, croix pattäe, PH), dessen sich die
Buddhisten in Indien bedienten und das ich auch in der Form LFI auf einer
prähistorischen Urne (des 7. Jahrhunderts v. Chr., Museum der Villa Papa
Giulio) bemerkte, ferner das ägyptische Henkelkreuz (oder Nilschlüssel, a2),
das f asiatischer Völkerschaften und das auf gallischen und andern Denk-
mälern uns begegnende Sonnenrad ( oder ) in Anspruch ge-
nommen werden. Aber alle diese Zeichen sind astrologischen Vorstellungen
entsprungen, deren Zusammenhang mit christlichen ebenso unerweisbar als
unwahrscheinlich ist. Die Stellung der Religionsparteien um 300 schliesst
die Unterstellung vollkommen aus, dass die christliche der feindlichen heid-
nischen gerade ihr hervorstechendstes Emblem entlehnt haben sollte.
Dass das Kreuzzeichen innerhalb der Gemeinde als signum Domini, signum
coeleste (so war über der Basilika des hl. Felix zu Nola zu lesen) frühzeitig
anerkannt war, wird durch die bekannten Aeusserungen des Barnabasbriefes,
eines Clemens Alexandrinus, Tertullian u. s. w. gewährleistet. Eine andere
Frage ist, wann es als solches monumental verwerthet wurde. Das ver-
hüllte Kreuz hat man auf verschiedenen Denkmälern aus der Zeit der Ver-
1 Für diese ganze Litteratur und alle
Detailnachweise muss hier auf Real-Encyklo-
pädie der christlichen Alterthümer
und 412 verwiesen werden.
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