Drittäääavh-
Die Orans.
Einige andere Sujets, wie die Ameise, der Kelch, die Leier, welche
man1 hier und da als Symbole angesehen hat, sind gewiss aus dem Cyklus
derselben auszuschliessen; nicht aber die Orans, Welche noch eingehenderer
Betrachtung zu unterziehen ist.
Das Ausstrecken der Arme und Hände beim Gebet wird als stehender
Gestus häufig in den altchristlichen Quellen erwähnt. Auf den Monumenten
sieht man nun am häufigsten stehende Figuren mit ausgebreiteten Armen
betend dargestellt, und diese sind es, welche man Oranten nennt. Welches
ist die Bedeutung derselben? Zunächst ist festgestelltz, dass ein starker
Procentsatz der auf unseren Denkmälern vorkommenden Oranten beiderlei
Geschlechtes bekannte biblische oder andere Heilige darstellt: Noe, Daniel,
Abraham und Isaak, Jonas, Susanna, die Magier, Maria (auf Gemälden, Sarko-
phagen, einmal bezeichnet mit MARIA VIRGO MINESTER DE TEMPVLO
GEROSALEm), Zacharias, Petrus und Paulus, Caecilia, Mennas u. s. f. Be-
merkenswerth ist, dass Christus niemals als eigentlicher Orans dargestellt
wird. An zweiter Stelle ist gewiss, dass die Gestalt des oder der Orans,
ohne Ansehung des Geschlechtes, die Seele des Abgeschiedenen veranscl1au-
lichen soll. Dass das namentlich von der weiblichen Orans gilt, entnimmt
de Rossi der Darstellung des
O es Martyriums des hl. Lauren-
h v" v], "O J tius daug eiiierdBliämedaille,
, y wo ie eee es emarter-
(f? Qläagg b? ten weiblich gebildet dem
ä z w L Leibe entsteigt (Fig. 56) 3.
i; 3 ja, A? L0 Bezeichnend ist, dass in
. einem Arcosolium des Ostria-
i num neben der Figur der
d 971V Orans zu lesen ist: VICTO-
RIAE VIRGINI PETE
Die abgeschiedene Seele wird
Fig. 56. Bleimedaillc. 3,150 um Gebet ange-
gangen 4. Zahlreiche Ge-
mälde, Sarkophage, Grabsteine, geschnittene Steine zeigen in dieser Weise
das Bild der Dahingeschiedenen, im allgemeinen in der gleichen Haltung.
wenn auch einigermassen in Costüm und Umgebung verschieden (vgl. die
Orante in Colobium, Fig. 57). An die Absicht einer portratähnlichen Dar-
stellung des Todten ist hierbei durchaus nicht zu denken; wir haben es nur
mit der Vorstellung zu thun, welche die Acta s. Caeciliae in dem Satze
aussprechen: Vidit egredientes animas eommz de corporibus, quasi virgines
de thalamo, und welche in den Bildern der Dormitio B. M. V. des Mittel-
alters fortleben. Mit Unrecht zählt daher V. Schultze die Orans zu dem
Cyklus historischer Sujets 5. Kein Bild des Verstorbenen kann der Orans
auf dem mehrfach erwähnten Gemälde der Sacramentskapellen in S. Callisto
und auf der Florentiner Lampe sein, wo der Betende auf dem Schiff, dem
Bilde der Kirche, steht. Hier ist, trotz V. Schultzeis Polemik, der Orans sicher
1 So bei MÜNTER Sinnbilder und Kunst-
vorstellungen der alten Christen I 27 f.
2 Vgl. die Real-Encykl. II 538 von mir
gegebenen Nachweise.
3 LUPI Diss. II 192-197.
Bull. 1867, p. 85.
4 WILPERT bei DE Rossl Bull.
5 Die Katak. S. 134.
DE Rossr
1890, p. 18.