Drittes
Buch.
erkennen 1. Dass, wie Heuser glaubt2, der Hirtenstab schon früh auch die
Andeutung des Kreuzes in sich trage, nehme ich nicht an; doch ist dies auf
späteren Bildern (Mosaiken des Jahres 440 in S. Nazario e Celso in Ravenna)
iinleugbar der Fall.
In den rein pastoralen Scenen mag der Milcheimer nur als Beiwcrk auf-
zufassen sein. Das ist aber unzulässig, wo er selbständig oder in Verbin-
dung mit dem Stab (auch auf dem Mosaik von S. Costanza nachgewiesens),
oder, wie auf dem Bilde in S. Pietro e Marcellino (Fig. 34), von einem Nimbus
umgeben auf dem Rücken eines Lammes erscheint. Es kann nicht zweifel-
haft sein, dass die Milch als Sinnbild der Eucliaristie galt; schon der Alexan-
drincr Clemens nennt die Christen fahrxrogprlfm; in der Vision der hl. Per-
petua und bei Ambrosius erscheint uns ein Milchkäse als Symbol der Eucha-
ristie: ,Vide0(, heisst es in jener, Jiomine-m in habitu pastoris oves mulgentenz
et de caseo guod mulgebat dedit mihi quasi buccellam." Man muss sich die
Augen absichtlich verschliessen, um in dieser Stelle eines der ältesten christ-
lichen Documente nicht eine klare Illustration gewisser Katakonibenbilder zu
sehen 4.
Noch sei hervorgehoben, dass auf zwei Sarkophagen der gute Hirte die
Brodvermehrung vornimmt 5.
Der Pastor bonus war das erste Sujet, dessen sich
die früheste statuarische Kunst der alten Christen be-
machtigte. Wir kommen bei der Darstellung der
,1i Sculptur auf diese Statuetten des guten Hirten zu-
rück; hier sei nur daran erinnert, wie auch in dieser
, Ijäliflif; Thatsache ein Beweis für die ausserordentliche Popu-
Ü {p laritat und das hohe Alter und Ansehen dieses Symbols
VIIHI liegt 6.
i 12 Das Lamm tritt uns in den Hirtenscenen überall
zunächst als Sinnbild des Gläubigen entgegen; bald
Fig, 34, Lamm mit", dem Milch- auch, wie auf dem Grabstein des Faustinianum in S. Lu-
einm- cina, als selbständiges Bild des Christen ohne den
(Aus der Katakombe von S. Pie-
tro e Marcellino.) Hirten. Im selben Sinne werden Wir zwei Lammer
wol als Andeutung eines christlichen Ehepaares zu
fassen haben, und ebenso stellen die beiden Lämmer, Welche die Orans
(das Bild der Kirche) umgeben, auf Deckengeinälden und Grabsteinen W01
die Gemeinde der Gläubigen dar. Das sind alles Illustrationen zu Aeusse-
rungen wie diejenigen Cyprians (und est aqua in Ecclesia scmcta, quae oves
facit, Ep. LXXI), Cyrills (Äoyexuf npößai-a) und Petrus" Chrysologus (vos filioli
dominiici gregis portio copiosa, niveo et diivino vestita iam vellere, Serm. CLXXIII) 7.
Von da ist es nur ein Schritt zu der auf dem spalatinischen Marmors und
auf den Mosaiken uns entgegentretenden Symbolik der zwölf (oder andeutungs-
weise sechs) Lämmer als der Vertreter der Apostel. Dass man an diese
1 DE ROSSI Roma sotterranea I 349,
tav. 12.
2 Bei KRAUS Real-Encyläl. 1668.
3 DE ROSSI Musaioi crist. Lf. 17, S.
4 Vgl. DE WAAL und Hmvsnn bei KRAUS
Real-Encykl. II 394. 450.
5 LE BLANT bei DE ROSSI Bull. 1887,
p. 47.
6 Für den Pastor bonus vgl. noch Real-
Encykl. II 588 f. BERGNER Der gute Hirt.
Berl. 1890.
7 Vgl. weitere Ausführungen bei MAR-
TIGNY Etude archeiol. sur Pagneau et le bon
Pasteur. Mäcon 1860. DE WAAL bei KRAUS
Real-Encykl. II 267. MÜNTER a. a. O. I 81.
9 DE ROSSI Bull. 1891, p. 122; 1892, 1 f.