Drittes Buch.
scheint, den Lohn verbürgen, der die Tugend erwartet; die Geschichte des
Aktäon, des Marsyas, die Klytämnestra, der Gigantenkampf vielleicht die
Strafen, die den Frevler treffen werden. Auf die Freuden der Seligen deuten
die mit besonderer Vorliebe dargestellten frohen Vereinigungen, Tänze und
Feste des Schwarms. der das Gefolge des Bacchus bildet, jenes bunte Gewühl
der Bacchanten, Manaden, Satyren, Pane und Centauren, dessen Fülle nach
Goethe auf Sarkophagen und Urnen den Tod überwältigt: „Die Asche da-
drinnen scheint im stillen Bezirk noch sich des Lebens zu freuen." Auch der
Gott selbst verbürgte durch seine Wiedergeburt aus dem Tode nach orphischer
Lehre den Eingeweihten seiner Mysterien die Unsterblichkeit 1. Die von ihm
zum Himmel erhobene Ariadne erschien als ein Vorbild der aus der Endlich-
keit befreiten und in eine höhere Welt entrückten Seele; der Jubel und die
festliche Freude des bacchischen Kreises, wie gesagt, als ein Sinnbild der zu
helfenden Seligkeit. Den Zustand der Seligen scheinen auch die Züge und
Chöre der auf den Wellen des Oceans sich wiegenden Nereiden und Meer-
götter, die Spiele von Liebesgöttern zu bedeuten. Zu beiden Seiten der Via
Latina sind bei Rom 1857 und 1858 zwei einander gegenüberliegende, statt-
liche, zweistöckige Grabgebäude entdeckt worden, die der zweiten Hälfte des
2. Jahrhunderts n. Chr. angehören. Die Gewölbdecke des Hauptgemachs im
Unterstock des einen, das drei Sarkophage enthielt, ist reich mit Stuckreliefs
verziert: ein Medaillen in der Mitte stellt die Seele des Verstorbenen als
verhüllte Gestalt, von einem Greifen emporgetragen, vor, umgeben von 24 Me-
daillons mit Bacchanten und Nereiden und Liebesgöttern in kleinen, vier-
eckigen Feldernf2
Ich habe diese Ausführungen eines der berufensten Beurteiler hier auf-
genommen, um zu zeigen, was es mit dem Vergeben Derjenigen auf sich hat,
welche den Graberschmuck der römischen Kaiserzeit als rein ornamentalen
Charakters darstellen. Das von Friedländer beigebrachte Material liesse
sich leicht vermehreng, und insbesondere kann man zeigen, dass nicht erst
seit den Tagen der Antonine, sondern bereits seit Domitian ein Einfliessen
asiatischer Culte, wie des Adoniscultes, und mit ihnen der Gedanke der Auf-
erstehung, des Wiedererwachens des Lebens, wie er in der Allegorie des
Adonis gegeben ist, statthat 4.
Dass die ältere römische Kunst nicht eigentlich allegorisch war, wird man
zugeben müssen. Aber diese altrömische Kunst hat unter fremden Einflüssen
1 PLUTARCH. Cons. ad ux. e. 10.
2 FRIEDLÄNDER a. a. O. III 694 f.
3 Es sei hier nur auf das von J. J. BACHOFEN
in seinem tiefsinnigen Werke über die Gräber-
symbolik der Alten (Basel 1859) beigebrachte
reiche Material hingewiesen. Es ist da nament-
lich sehr eingehend das Ocnus-Syrnbol be-
handelt. ,Dies Ocnus-Symbol, im Nilland
heimisch, kehrt zu Delphi und in römischen
Gräbern wieder, und während sein Ursprung
in das Dunkel urerster Zustände gehüllt ist,
begleitet es die alten Völker bis in jene Zeiten
hinab, denen auf einsamer Seehöhe der Unter-
gang des grossen Pan verkündet wurde
(PLUTARGH. De def. orae. c. 17) und über der
Hütte der Stern erschien. Das ist, was der
antiken Gräberwelt eine so hohe Bedeutung
leiht und ihre Betrachtung nach allen Seiten
hin so fruchtbringend macht, dass in ihr die
innere Einheit der alten Gedankenwelt schla-
gender und greifbarer als anderswo hervor-
tritt und eilende Jahrhunderte ihre umgestal-
tende Macht nicht durchzuführen vermögen.
Unwandelbar wie der Tod ist die Grabeswelt.
An ihr geht j ede Neuerung spurlos vorüber. Eine
Fülle geistiger Schätze liegt in den Nekropolen
verborgen. Die Erde bietet wieder, was sie
vor Tausenden von Jahren empfing 411i).
4 Ich verweise für diesen Gegenstand auf
den schönen Aufsatz meiner Freundin, der
Gräfin ERSILIA CAETANI-LOVATELLI: I giar-
dini di Adone (Roma 1892) p. 6. 9.