Volltext: Die hellenistisch-römische Kunst der alten Christen, die byzantinische Kunst, Anfänge der Kunst bei den Völkern des Nordens (Bd. 1)

Altchristliche? älljleyeii 
der orientalischen Unsterblichkeitslehren und die Verbreitung der Mysterien 
gab diesen Vorstellungen festern Halt und einen tiefern Sinn. Hatten die 
bildlichen Vorstellungen auf den älteren in Etrurien, Campanien und Sicilien 
aufgefundenen bemalten Vasen keine Beziehung auf Grab und Tod; konnte 
man daraus schliessen, dass sie nicht als ein Symbol der Trauer, sondern 
als eine Erinnerung an das Leben der Verstorbenen den Leichen beigesetzt 
wurdeni; sah man auch auf den griechischen und römischen Grabdenkmälern 
vorzugsweise Scenen dargestellt, in denen die irdische Existenz der Gestorbenen 
gewissermassen {fortgesetzt und bleibend gemacht wurde'2, so änderte sich 
das jetzt und das Einrücken des symbolisch-allegorischen Elements bewährte 
sich zunächst darin, dass vielfach ältere Darstellungen in einem neuen Sinn 
verwerthet wurden. ,Zu diesen gehörte auch die grosse Masse der üguren- 
reichen mythologischen Scenen, mit denen die Vorderseiten der Sarkophage 
geschmückt sind; ihrer Arbeit nach rühren dieselben in überwiegender Mel1r- 
zahl aus der Zeit vom 2. bis 4. Jahrhundert her und sind vielfach, vielleicht 
in der Regel, nicht auf Bestellung geliefert, sondern zur Auswahl für Käufer 
gearbeitet, also so, wie sie der grossen Mehrzahl zusagten und gewöhnlich 
verlangt wurden. Wenn nun hier die Beziehung der dargestellten Mythen 
auf Tod, Unsterblichkeit und Jenseits oft nicht mit Sicherheit nachweisbar, 
und vielleicht in der That nichts anderes bezweckt worden ist als eine ge- 
fällige und bedeutende Ausfüllung des Raumes durch allgemein beliebte Dar- 
stellungen, so ist doch bei einem grossen Theile der Gegenstände der Sinn, 
in welchem sie zur Verzierung dieser Steinsarge gewählt sind, nicht zweifel- 
haft 3. Die Gestalten des Mythus sind hier gleichsam poetische Typen zum 
symbolischen Ausdruck abstracter Ideen; und auch hier herrscht noch jene 
Tendenz der griechischen Kunst und Poesie, das Menschendasein durch Er- 
hebung in ideale Gebiete zu verklären. Nur selten kommt (wie in der 
Prometheusfabel) die Vereinigung und Trennung von Seele und Körper ge- 
radezu zur Darstellung; gewöhnlich wird der Uebergang in ein anderes Leben 
und dessen Seligkeit oder Unseligkeit durch die Schicksale der Götter und 
Heroen versinnbildlicht. Besonders gern wurde die Entführung der Proserpina 
ins Schattenreich und ihre Wiederkehr zur Welt des Lichts zum Schmuck 
von Sarkophagen gewählt, desgleichen der Tod des Adonis, dem ja ebenfalls 
eine Auferstehung folgt; vielleicht ist auch die Entführung der Töchter des 
Leucippus durch die Dioskuren zu einem höhern Dasein in ähnlichem Sinne 
zu verstehen. Die Geschichte der Alceste und des Admet, Protesilaos und Lao- 
domia deuten die Hoffnung auf ein Wiedersehen nach dem Tode, die Fort- 
dauer der Gattenliebe im Jenseits an. Hercules, der durch unablassiges 
Ringen sich von den Gebrechen der Sterblichkeit befreiende und auch über 
die Machte der Unterwelt siegreiche Held, erscheint in seinen Kämpfen und 
Arbeiten als der eigentliche Üeberwinder des Todes. Achill auf Skyros, der 
ein kurzes, glückliches Leben einem langen, thatenlosen vorzog und für 
diese Wahl mit einer Versetzung ins Elysium belohnt wurde, soll, wie GS 
1 Doch fanden sich auch Vasen in Lucanien 
und Apulien sowie in Attica und Aegina mit 
sepulcralen Vorstellungen, bei Welchen die 
Zweckbeziehung auf Tod und Grab unver- 
kennbar war. Vgl. O. JAHN Vasensanxrnlung 
König Ludwigs S. cxxxlv-cxxxix.  MAR- 
QUARDT Das Privatleben der Römer I (Lpz. 
1879) 357. 
2 Vgl. Gomlnfs Werke XXIII (1840) 43. 
3 Vgl. E. PETERSEN Sepolcro scoperto sulla 
Via Latina (A. d. Inst. 1860, p. 348 sqq.; 1861, 
p. 190 sqq.).
	        
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