Altchristliche Malerei.
sicht der Bildwerke sei den Künstlern und der Gemeinde der vorconstanti-
nischen Zeit unbekannt gewesen. Lassen sich zahlreiche Darstellungen, vorab
diejenigen auf Ringen und Gläsern, deren Clemens Alexandrinus und Ter-
tullian schon um 200 gedenken, nicht unter die Kategorie der sepulcraleu
Scenen bringen, so bleibt nichts anderes übrig, als den symbolisch-didaktischen
Charakter festzuhalten. Mir scheint, dass nur die Sucht, etwas Neues, statt
des Verlangens, etwas Richtiges zu sagen, dieser Forderung sich ver-
schliessen könne.
Noch bleibt eine andere Frage zu erledigen, deren Lösung indessen heute
noch einigermassen offen steht.
Es ist die Frage nach dem localen Ursprung der OllPlShllCllGIlLWalcrUr-
Typen. Wo treten dieselben zuerst auf? Hat sie der Orient oder der Spläliucler
Occident, hat sie Alexandrien oder Rom geschaffen?
Man wird auf diese Frage wol niemals eine zuverlässige Antwort geben
können. Der Vorrath erhaltener Denkmäler ist zu gering, der Untergang der
meisten älteren Monumente, namentlich des Orientes, zu ersichtlich, als dass
man hoffen dürfte, eine gesicherte Unterlage zur Beurteilung derselben zu
gewinnen.
In Rom treffen wir in S. Domitilla, S. Priscilla, in den Grüften der
Lucina auf Malereien, deren stilistische Behandlung uns berechtigt, sie dem
Ausgang des 1. Jahrhunderts zuzuweisen. Ausser dem guten Hirten stellen
diese Fresken Daniel zwischen den Löwen, das Mahl, also schon künstlerische
Compositionen, nicht blosse symbolische Zeichen, dar. Im Orient sind uns
leider keine Denkmäler dieses hohen Alters erhalten. Indessen fehlt es nicht
an Anzeichen, dass bereits in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts auch
dort bestimmte biblische Scenen den Christen geläufig und auch den ausser-
halb der Kirche Stehenden bekannt waren. Wenn J ustinus Martyr in
Noe das Bild Christi, in der Arche dasjenige des Kreuzes sieht 1, so legt sich
die Vermuthung nahe, dass auch die griechisch-orientalische Kunst bereits
diese Sujets darstellte. Dasselbe gilt von den Jonas-Scenen, deren Details er
ausführlich beschreibt 2. Mit Buonarruoti und Bayet3 sehe ich auch in
einer von Origenes überlieferten Aeusserung des Celsus eine Andeutung,
dass diesem Feinde des Christenthums Scenen wie Jonas unter der Kürbis-
Staude und Daniel zwischen den Löwen bekannt Waren 4.
Vieles spricht dafür, dass einer der beliebtesten Typen des christlichen Der Orient.
Alterthums dem Orient seine Entstehung verdankt. Es ist der des guten
Hirten. Ein Buch, welches in der griechischen Kirche fast kanonisches An-
sehen besass und in den Kirchen des Morgenlandes gelesen wurde, der ,Pastor'
des Hermas, in dem einen Theil seiner Zusammensetzung sicher noch eine
Schöpfung des 1. Jahrhunderts, bringt uns bereits das Bild des guten Hirten
entgegen. Freilich ist der in demselben auftretende Hirt nicht Christus,
Sondern der Bussengel, aber seine Functionen sind denen Christi sehr ähnlich 5.
Aus dem 2. Jahrhundert haben wir das Epitaph des Abercius, dessen Ver-
fasser, der Bischof von Hieropolis, sich als Schüler des keuschen Hirten
' Dial. c. Tryphone c. 12, 138.
2 Ibid. c. 107. 108.
3 BUONARRUOTI Osservaz. p. 18. BAYET
Recherches pour servir ä, l'histoire de 1a
Peinture et de 1a sculpture chrätiennes en
Orient avant 1a querelle des iconoclastes.
Kraus. Geschichte der christl. Kunst. I.
Paris 1879. Diese Abhandlung zählt zu dem
Gediegensten, was wir über die Anfänge der
griechisch-byzantinischen Kunst besitzen.
4 Oma. in Gels. VII c. 53.
5 HERM. Past. Vis. V 3. 7; Sim. II 1;
VI 1 u. s. w.
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